Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

Ausländische Präsenz in Österreich 1922-1926 287 Zwei Zentren müssen dabei besonders hervorgehoben werden, nämlich Ita­lien und England; Italien wegen seiner politischen Bestrebungen im Donau­raum, England wegen der finanziellen Absichten der Kreise rund um die Bank von England, die ganz Europa einbezogen. In der Literatur sind schon öfters die Bestrebungen der italienischen Donauraumpolitik behandelt wor­den; sie zielten darauf ab, eine Vorrangstellung in Österreich zu erreichen* 4). Wie jedoch Italien die Sanierung dafür benutzt hat, seine Vorrangstellung konkret zu gestalten, ist bisher kaum untersucht worden. Die Bank von Eng­land war der Überzeugung, daß die Probleme Nachkriegseuropas nur dann zu bewältigen seien, wenn die Präsidenten der Nationalbanken zusammen­hielten; denn ein dauerhafter Friede sei nur möglich, wenn man die finan­ziellen Probleme lösen könne und sich die Wirtschaftsverhältnisse zwischen den europäischen Ländern normalisierten5). Beide Zentren, Rom und Lon­don, sahen im Völkerbundkontrolleur in Österreich das Instrument, mit dem sie ihre Ziele zu erreichen hofften. Daher ist zuerst eine Abgrenzung der Po­sition dieses Kontrolleurs notwendig54). I Am 4. Oktober 1922 Unterzeichneten in einer feierlichen Sitzung des Völker­bundsrates England, Frankreich, Italien, die Tschechoslowakei und Öster­reich in Genf drei Protokolle. Dieses Ereignis schloß eine lange' Reihe von Versuchen ab, mit ausländischer Hilfe die durch eine riesige Inflation völlig in Unordnung geratenen Staatsfinanzen Österreichs zu sanieren. Jene Proto­kolle ermöglichten es der österreichischen Regierung, im Ausland Privatkre­dite bis zu 650 Millionen Goldkronen zu erwerben, für deren Tilgung die Re­gierungen der anderen Signatarmächte eine beschränkte Garantie übernah­men. Diesen Regierungen und denjenigen, die noch den Protokollen beitreten würden, war es erlaubt, eine Deputation in ein zu errichtendes Kontrollko- mitee zu entsenden, das sich mit der Bestimmung der Emissionsmodalitäten and Financial S 59, 60-61, 97-103, 106-113, 115-117, 122, 132, 134, 136, 143) und Fonds extérieurs (Reconstruction financiére de l’Autriche. Archives du Commissaire- Général C 1-71); im folgenden werden diese Bestände nur mit Buchstaben und Zahl zitiert. Weiterhin habe ich die österreichischen Ministerratsprotokolle, aufbewahrt im Allgemeinen Verwaltungsarchiv (abgekürzt AVA MRP), und verschiedene Akten aus dem Neuen Politischen Archiv (NPA) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) sowie Akten des Finanzarchivs (FA), alle in Wien, verwendet. 4) Für diese Periode speziell Ludwig Jedlicka Österreich und Italien 1922 bis 1938 in dsbe Vom alten zum neuen Österreich (St. Pölten 1975) 315—336 und Ennio di Nolfo Die österreichisch-italienischen Beziehungen von der faschistischen Machter­greifung bis zum Anschluß (1922-1938) in Adam Wandruszka und Ludwig Jed­licka (Hgg.) Innsbruck-Venedig, österreichisch-italienische Historikertreffen 1971 und 1972 (Wien 1975) 221-271. 5) René Girault Économie et politique internationale: diplomatie et banque l’entre-deux-guerres in Rélations Internationales 21 (1980) 7-22. 5“) Das Folgende beruht auf meinem in Anm. 2 genannten Buch und auf Pietri La Société passim.

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