Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm

284 Gerhard Wanner sandten Expeditionen auf die Inselgruppen. Deutschland wiederum plante die Errichtung von Stützpunkten für wissenschaftliche Unternehmungen41). Das letzte Ereignis, welches die spezielle Aufmerksamkeit Dumbas erregte, war ein Arbeitskonflikt mit einem schwedischen Arbeiter in einem amerika­nischen Kohlenlager. In Ermangelung jeglicher Autorität wurde der Schwede gefesselt nach Tromsö gebracht, wo er von einem amerikanischen Agenten angeklagt werden sollte. Der Schwede wurde jedoch vom norwegischen Ge­richt auf freien Fuß gesetzt. Diese Tatsache bestärkte Dumbas Hoffnung, daß die alten Gegensätze zwischen Norwegen und Schweden beseitigt waren. Um sich zu versichern, holte der Gesandte Informationen im schwedischen Aus­wärtigen Amt ein. Man bestätigte ihm das „freundschaftliche Entgegenkom­men“ Norwegens und „daß die Lage Spitzbergens dringend einer Klärung bedürfe, die nur dadurch möglich wäre, wenn man, von der intransingenten Haltung Nordamerikas und dessen verneinendem Standpunkte absehend, in Christiania die Initiative zu einer Verständigung der europäischen Groß­mächte ergreife“42). Im Jänner 1912 kam es in Christiania (Oslo) wirklich zu neuen Gesprächen, die wider Erwarten eine rasche Einigung auf der Grundlage des norwegi­schen Diskussionsbeitrages brachten43). Eine endgültige Lösung wurde je­doch nicht erreicht. Auch eine große Konferenz 1914 in Oslo führte zu kei­nem Ergebnis. Warum der k. u. k. Gesandte Dumba sein Interesse an Spitzbergen verlor, hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist in der schwedischen Innenpolitik zu su­chen: Im Oktober 1911 trat die Rechtsregierung Lindman-Taube auf Grund des schlechten Ergebnisses der Reichstagswahlen zurück. Zur neuen libera­len Regierung unter Staatsminister Staaff und Außenminister Ehrensvärd hatte Dumba recht wenig Beziehungen, so daß das Auswärtige Amt als In­formationsträger kaum mehr in Frage kam. Die liberale Regierung führte außerdem einen ausgesprochenen landesverteidigungsfeindlichen Kurs44), wodurch auch die erhoffte Militärallianz mit Norwegen nicht mehr zur Sprache kam und durch eine allseitige Neutralitätspolitik ersetzt wurde. Vor allem das Ausscheiden Taubes war für Dumba ein schwerer Verlust, von dem er „über die antirussische Richtung der schwedischen öffentlichen Meinung vollkommen orientiert war“45). Außerdem war der deutsche Gesandte in Stockholm, Pückler, ein Freund und wichtiger Informator Dumbas, durch Franz von Reichenau ersetzt worden. Dieser besaß lediglich noch Kontakte zum schwedischen König, der sich aber auf außenpolitische Fragen nicht ein­41) Hantschel Weltgeschehen 107ff; Dumba an Aehrenthal (Bericht 20 B), 1911 August 23 Stockholm: HHStA GSt Ih4. 42) Ebenda. 43) Gesandtschaftsbericht an Aehrenthal, 1912 Jänner 4 Stockholm: ebenda. 44) Ragnhüd Frykberg Bondet&get 1914 (Stockholm 1959) 12f. 45) Constantin Dumba Dreibund und Entente-Politik in der Alten und Neuen Welt (Zürich 1931) 275, 277; Lindberg Kunglig utrikespolitik 186L

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