Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites

4 Heide Dienst Michaelbeuemer Urkunde, in der schmeichelnde Beiwörter auf den Bischof bezogen werden („dominus Reginmarus venerabilis .. . episcopus, quem pa­stor summe bonus prefate ecclesie vere pastorem preposuit: est enim humi­lium sublevator, pauperum adiutor“), gelten diese im zweiten Fall dem Markgrafen und seiner Familie („venerandus princeps marchio Liupaldus iniquitatem de finibus suis volens expellere, invasiones et iniurias mitigare, lites et rixas sopire et ante omnia gcclesias dei summa cautela et tutela mu­nire .. ., generosi antecessores . .., generos? cognationis . .etc). Der Bischof erscheint hier nicht als „venerabilis“, sondern als einer, der den Markgrafen nur väterlich ermahnen, untertänig informieren und demütig bitten kann. Allerdings bleibt als harter Kern der bischöflichen Vorstellungen, daß der Markgraf ebenso wie seine vornehmen Vorfahren und Besitzvorgänger („an­tecessores“) die gegenständlichen Zehnten nicht nach kirchlichem Recht, sondern nach weltlicher Gewohnheit („seculari consuetudine, non canonico iure“) eingehoben hätten. Der Bischof unterließ es auch nicht, die Angst un­botmäßiger Söhne vor himmlischer Strafe zu aktivieren: „novit (seil, mar­chio) enim satis esse secundum apostolum ad dampnationem peccatis alienis consentire nedum eadem fovere et defendere“10). Weiters ist vom wechselseitigen „honor“ und der beiderseitigen „utilitas“ die „consensu cleri sui et populi“, ferner: „cleri sui caritatem, priricipum suorum benivo- lentiam, populi sui devotionem monuit . . . (sc. episcopus)“). Restlose Klarheit über den spezifischen Sinngehalt von canonicus ist nicht zu gewinnen, es wird häufig synonym für regularis (der Regel entsprechend, gesetzmäßig, korrekt) verwendet, dann auch als durch eine kirchenrechtliche Bestimmung festgelegt, im Gegensatz zur weltlichen Auf­fassung - dieses Gegensatzpaar begegnet auch in der Greifensteiner Urkunde; vgl. etwa MG Conc. Karol. I/II (1908), App. 9 B p. 848, 20: „per . . . legem canonicam et mundanam“; weitere Belege Mittellateinisches Wörterbuch 2/2 (München 1969) 178 sqq. Die Bezeichnung „canonica et legitima traditio“ findet sich in den Akten der Römischen Herbstsynode 1078 (vgl. dazu unten Anm. 23), von wo sie allem Anschein nach in die Annalen des Berthold von Reichenau (t 1088) gelangt ist: „In laicos quo­que cuiuscumque dignitatis data est sententia anathematis sive clericos necnon in om­nes personas, quicumque contra sacrorum canonum decreta episcopatus, abbatias, praeposituras, qualescumque aecclesias, decimas vel quascumque aecclesiasti- cas dignitates cuilibet clerico seu cuicumque personae iuxta usurpationem suam antiquam in beneficium dare et quod domino deo prius canonica et legittima traditione in proprietatem et servitium legaliter delegatum est, hoc quasi pro­prium quiddam et hereditarium laica et non consecrata deo manu consecratis deo alta­ris et aeclesiasticae dispensationis ministris procurandum et ordinandum contradere seu praestare omnino praesumpserint“ (MG SS 5 308 sq). 10) Trotz der Berufung auf den Apostel handelt es sich um kein Pauluszitat, son­dern dürfte einer späteren moralisierenden Spruchsammlung entstammen. Das Wort „damnatio“ kommt bei Paulus nur zweimal vor, einmal wird sie dem zugesagt, der der Obrigkeit Widerstand leistet (Rm 13,2), ein zweites Mal jungen Witwen, die eher der Wiederverheiratung als Christus zugeneigt seien: „quia primam fidem irritam fece­runt“ (1 Tm 5,12). 1 Tm 5,22 lautet eine Empfehlung, Titus möge niemandem voreilig die Hand auflegen, „neque communicaveris peccatis alienis“. Über die damnatio vgl. auch unten S. 9 den Satz aus der Römischen Herbstsynode 1078. Auf „alieni (filn, qui irreverentissime os suum in c?lum ponunt et lingua eorum transit in terram“, Ps 72,9) wurde bereits vorher angespielt, die folgende Verheißung (v. 10) wurde sicher mitge­dacht: „ideo convertetur populus meus hic et dies pleni inveniuntur in eis“.

Next

/
Oldalképek
Tartalom