Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)
NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung
38 Helmut Neuhaus zyt, die E[uer] Mt. in Irer Instruction gedacht, sein wurdt“103). Auf die von dem Koblenzer Abschied ausgehende Entwicklung wiesen ferner der Kurfürst von der Pfalz104), der Kurfürst von Trier105), Pfalzgraf Friedrich, Herzog in Bayern106), der Herzog von Jülich107) und einige Reichsstädte108) hin, alles Reichstagsberechtigte, die am Koblenzer Abschied beteiligt gewesen waren. Während Pfalzgraf Friedrich für die Behandlung solcher Landfriedensangelegenheiten „uff ainem khunftigen Reichstag“ höchste Vorsicht für notwendig und geboten hielt109) und der Herzog von Jülich angesichts der Vorgänge in Münster meinte, „das nichts fruchtberlichers wer, darin auch Reichs Versandung zuhalten“110), erklärte der Kurfürst von der Pfalz, daß die Münster- sche Sache ,,uf einen reichstagk oder desselbigen beschlus ye khein verzugk erleiden khan“; er stellte sich voll auf den Boden des Koblenzer Beschlusses, der expressis verbis keinen Reichstag anstrebte, damit der Nürnberger Anstand „dest mehr unzerdrent bleiben“ kann, weshalb man es auch „zu keiner weithem oder gemeinen reichs versamlungen khomen [...] lassen“ wollte111). Natürlicherweise warf die von den Reichsständen initiierte reichsständeparlamentarische Versammlung112) im April 1535 in Worms dieselben verfassungsrechtlichen Probleme auf wie Ferdinands ganzes Reichstagsprojekt, denn auch sie mußte vor dem Hintergrund der Bestimmungen des Nürnberger Anstandes gesehen werden. Von daher erklärt sich das Meinungsbild der Befragten hinsichtlich eines Reichstages für eine höchst aktuelle Landfriedensangelegenheit. Bei den Reichsständen und -Städten, die überhaupt zu dieser speziellen Frage Stellung nahmen, hielten sich Befürworter und Ab- lehner die Waage. Die übrigen waren positiv eingestellt, wie sie dem ferdi- nandeischen Reichstagsprojekt unter Ausklammerung der Religionsfrage insgesamt und sehr allgemein wohlwollend gegenüberstanden113). Alles in allem 103) HHStA RK RTA 5 CIII fol. 70r. - Zu der Rolle, die man im Koblenzer Abschied vom 26. Dezember 1534 König Ferdinand beim Zustandekommen der Wormser April-Versammlung 1535 zugedacht hatte, siehe unten S. 47. 1<M) HHStA RK RTA 5 CIH fol. 75v-76r; siehe auch Auszug ebenda fol. 13lv. los) Ebenda fol. 103 r; siehe auch Auszug ebenda fol. 130 v. 106) Ebenda fol. 17 r; siehe auch Auszug ebenda fol. 134 v. 107) Auszug ebenda fol. 135v. 108) Auszug ebenda fol. 140 r. 109) Ebenda fol. 17 rv. 110) Auszug ebenda fol. 135 v. lu) Ebenda fol. 76 r. 112) Da die Kennzeichnung dieser Tagung immer wieder Schwierigkeiten gemacht hat (Reichstag oder Reichskreistag?), wählen wir hier den zugegebenermaßen etwas umständlichen Ausdruck „reichsständeparlamentarisch“ zur näheren Charakterisierung, um ihn vor allem von anderen Ständeparlamenten wie den Kreistagen und den Versammlungen von Vertretern aller zehn Reichskreise (Frankfurt 1554) zu unterscheiden; auch dazu demnächst ausführlicher Neuhaus (wie Anm. 101). 113) Die Reichsstadt Straßburg wollte sich an den Reichsmaßnahmen gegen die Stadt Münster „neben und mit gemelten stenden [des Reichs], was wir zu thun schuldig, gehorsamlich und gutwillig erzeigen“: Str. Korr. 2 250 n. 250.