Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

NEUHAUS, Helmut: Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35. Politische Meinungsumfrage im Kampf um die Reichsverfassung

Ferdinands I. Reichstagsplan 1534/35 35 Welche Gefahr für Ferdinand in einem mit solcher Zielsetzung seitens Kur­sachsens tatsächlich zustande kommenden Reichstag läge, machten ihm der Kurmainzer und der Albertiner indirekt deutlich: „Zue disem allen feilt uns diß bedenkhen für: wa Ire Maiestat darauf beharren, daz ein gemainer Reichstag [in] abwesen der kay. Mt. soll versandet und gehalten werden, daz hoch von nöten sein will, erstlich und vor allen dingen die waal-sach abzuhandlen und auf iren ort zubringen, oder zum wenigisten bey den andern Churfursten den ge­wissen verstandt zumachen, also daz die bewilligung der Churfursten gewißlich one ferner disputádon gehe“ 89). Da sie gegen eine Veränderung oder Erweiterung der Goldenen Bulle von 1356 waren, würde ein Scheitern Kursachsens in dieser Frage nicht nur ein Scheitern des angestrebten Reichstages nach sich ziehen, sondern sofort auch die interimistische kursächsische Anerkennung Ferdinands als rex Romano­rum in Frage stellen. Zwar nicht so ausdrücklich positiv wie Kurbrandenburg und Kursachsen, aber auch nicht grundsätzlich negativ wie Kurmainz und Georg von Sachsen war dann die große Masse der übrigen Reichsstände und -städte, sofern sie überhaupt ein Generalvotum abgaben. Die Bayemherzöge Wilhelm und Ludwig verschlossen sich einem Reichstag, der das Konzil nicht in Frage stellte, zwar nicht, rieten Ferdinand aber, „wo ye die khon. Mt. ainen Reichs­tag haben oder ausschreiben wolten [...], sich wol zubedenckhen [...] und sich auf gemaine Wort nit zuverlassen, damit nit allererst auf dem Reichstag Irrungen einreißen und daraus kon. Mt. genedigs Vorhaben verhindert oder auch sonst Spaltung und mißverstandt sich zutragen möchten“90). Wer nicht aus verfassungsrechtlichen Bedenken angesichts der unangetasteten Gültig­keit des Nürnberger Anstandes oder auch aus mangelnder Einsicht in die von anderen erkannte Reichstags-Alternative zur Grundsatzfrage der Veranstal­tung eines Reichstages schwieg — die Erzbischöfe von Köln91) und Trier92) z. B. wollten sich erst mit den anderen Kurfürsten beraten —, der hielt — wie der Bischof von Eichstätt — „einen gemainen Reichstag“ immerhin für „rath- sam, guet und von notten“93) oder meinte zumindest — wie der Bischof von Augsburg —, „das fruchtberst“ sei, einen „gemein Reichs oder Versamblungs- tag furzunehmen [und] furderlich außzeschreyben“ 94). Insgesamt sprach sich also - freilich mit unterschiedlichem Engagement und 89) Ebenda fol. 91 rv. 90) So Graf Niclas von Salm am 28. Dezember 1534 aus Ingolstadt an König Ferdi­nand: HHStA RAig 6 (1534) fol. 60v. Nach eigenen Angaben hatte der königliche Ge­sandte den Bayernherzögen geantwortet, „das ain Reichsversamblung zu haltten nitt wohl umbgangen werden möge“ (ebenda). 91) HHStA RKRTA 5 CHI fol. 106r-107r (Antwort vom 2. Februar 1535). 92) Ebenda fol. 103r; die gesamte Antwort vom 28. Januar 1535 ebenda fol. 102r-104r. 93) Ebenda fol. 25r; die gesamte Antwort an Ferdinand vom 4. Januar ebenda fol. 25 r. 94) Ebenda fol. 99 v; die gesamte Antwort an Ferdinand vom 26. Januar ebenda fol. 99 r—100 r. 3*

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