Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Lorenz MIKOLETZKY: Österreich, Italien und der abessinische Krieg 1935/36. Politik, Meldungen und Streiflichter

494 Lorenz Mikoletzky „Zahlreiche Nachrichten geben davon Gewißheit, daß gerade diese, des heißen Klimas ungewohnte Menschen den tropischen Krankheiten zu Hunderten erlegen sind. Täglich gelangen Todesnachrichten in die Dörfer der Alpen. Dadurch wird die ohnehin schon große seelische und materielle Not der Südtiroler ins Ungemessene vermehrt. Bisher konnten die katholischen Geistlichen, die bei der großen Frömmigkeit der Bevölkerung mit ihren Gemeinden in inniger Verbundenheit leben, wenigstens die schlimmsten Fol­gen der Entnationalisierung vermeiden, indem sie weiter deutsche Predigten hielten und deutschen Religionsunterricht erteilten. Gegen das wirtschaftliche Elend aber sind die Priester machtlos. Die Südtiroler Soldaten, die in Abessinien für Italien kämpfen müssen, lassen ihre Familien in größter Not und Ungewißheit zurück, während sie selbst kaum dem furchtbaren Klima und den Gefahren des Guerillakrieges mit dem Leben entkommen werden.“ In Wahrheit wurden jedoch die Südtiroler „zwar in großer Zahl und vorzüg­lich nach Süditalien einberufen . . ., jedoch in erster Linie, um sie bei einer vielleicht vom Ausland inszenierten oder begünstigten Panikwelle an der Flucht ins Ausland zu verhindern“. Gesandter Wilhelm Engerth aus Bern meinte zu dieser Darstellung, die er von einem Deutschsüdtiroler übernom­men hatte, „daß sie aber absichtlich nicht nach Abessinien gesandt werden, weil die Führung dieses Krieges eine Ehrenaufgabe des faschistischen Itali­ens sei“28). Ende des ersten Kriegsjahres richteten „gewisse österreichische Staatsbür­ger“ Gesuche an die königlich italienischen Konsulate um Aufnahme in die Kolonialarmee. Der Artikel 158 des Friedensvertrages von Saint Germain verbot zwar den Eintritt österreichischer Staatsbürger in eine fremde Wehr­macht; dennoch überschritten schon im September 1935, also noch vor Aus­bruch der Feindseligkeiten, zehn Österreicher in Tirol die Grenze ohne Paß, darunter vier Mitglieder des FAD (Freiwilligen Arbeitsdienstes), und stellten sich den italienischen Behörden in Cima Canale, wo sie ihr Begehren vor­brachten. Sie wurden jedoch, ebenso wie fünf Kärntner, angeblich einer all­gemeinen Weisung zufolge zurückgestellt29). Einige Monate später erfolgte anläßlich eines neuerlichen Versuches eines dem Heimatschutz angehörigen Österreichers, Aufnahme in die Kolonialarmee zu erlangen, eine Klarstellung von seiten des italienischen Außenamtes, daß „grundsätzlich keine ausländi­schen Staatsangehörigen zu den militärischen Aktionen in Ostafrika zugelas­sen würden und daß dort auch keinerlei Freiwilligenformationen etwa in der Art der Fremdenlegion bestünden“30). Ein „gewisser Franz J. Kofler“ aus Innsbruck sandte Ende 1935 eine Kopie seines Vorschlages zur Regelung des Konflikts in Ostafrika ein, den er an den Völkerbund geschickt hatte, ohne eine Reaktion von dort zu erhalten. „Es ist mir nicht bekannt, ob und daß meine Vorschläge irgendeiner Behandlung un­terzogen worden wären, die dem beabsichtigten Zwecke dienlich wäre“ (la­konische Randbemerkung des Außenamtes: „Das glaub’ ich“). Außerdem 2S) NPA 555 ZI. 39.036/1935. 29) Vgl. ebenda ZI. 40.482/1935. 30) Ebenda ZI. 40.137/1935.

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