Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Gerhard RILL: Die Garzweiler-Mission 1603/4 und die Reichslehen in der Lunigiana
DIE GARZ WEILER-MISSION 1603/4 UND DIE REICHSLEHEN IN DER LUNIGIANA Von Gerhard Rill Die in den Neunzigerjahren des 16. Jahrhunderts wieder aufflackernde os- manische Angriffslust, angefacht durch die spektakuläre Niederlage eines aus Bosnien eingefallenen türkischen Raubkorps bei Sissek 1593, traf bei Kaiser und Reich auf Gegenmaßnahmen, die - für den Beginn des nun ausbrechenden „langen“ Krieges zumindest - kaum den üblichen Vorstellungen vom Prager Kaiserhof entsprechen. Abgesehen von einer seit Jahrzehnten geübten, nun intensivierten Propaganda für das Haus Österreich und dessen Führerrolle im Kampf gegen die Ungläubigen waren es zunächst diplomatische Aktionen, die den militärischen Möglichkeiten des Gegners von vorne- herein den Rückhalt entziehen sollten. Im Osten wurde außer Polen und Rußland auch — wie schon oft vorher - Persien, das soeben unter dem Schah Abbas dem Großen seine zweite Blütezeit erlebte, umworben. Um rechtzeitige und konkrete Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen zu erlangen, waren jedoch die meisten dieser Aktionen zu inkonsequent und zu weit von der politischen Realität entfernt. Die Kraftlosigkeit der militärischen Operationen - beider Seiten - spiegelt sich in der Diplomatie wider, wenn man von den abenteuerlichen Reisen des in persischem Auftrag agierenden Sir Anthony Sherley absieht. Die Union christlicher Staaten aber blieb weiterhin Gegenstand der Propaganda sowie kurzfristiger und wirkungsloser Emotionen. Für die trotzdem relativ erfolgreiche Beendigung des Krieges 1606 waren vor allem drei Faktoren entscheidend: der am Hof des Sultans noch stärker als in Prag in Erscheinung tretende Mangel an Planung und Initiative; der in der letzten Phase des europäischen Krieges ausbrechende türkisch-persische Konflikt; schließlich das Wirken des Reichspfennigmeisters Zacharias Geiz- kofler, der es mit Überzeugungskraft und Zähigkeit verstanden hatte, erhebliche Summen für Rudolf II. im Reich nördlich der Alpen einzutreiben1). Johannes Müller Die Verdienste Zacharias Geizkoflers um die Beschaffung von Geldmitteln für den Türkenkrieg Kaiser Rudolfs II. in MIÖG 21 (1900) 268—272; dsbe Zacharias Geizkofler 1560-1617 (Veröffentlichungen des Wiener Hofkammerarchivs 3, Wien 1938) 26ff. Zu Propaganda und Diplomatie außer R. J. W. Evans Rudolf II and his world. A study in intellectual History 1576—1612 (Oxford 1973) 75ff und der dort genannten Literatur vor allem: Barbara v. Palombini Bündnisstreben abendländischer Mächte um Persien 1453-1600 (Freiburger Islamstudien 1, Wiesbaden 1968) 115f; Walter Leitsch Rudolph II. und Südosteuropa, 1593—1606 in East European Quarterly 6 (1974) 301—320; Karl Vocelka Fehderechtliche „Absagen“ als völkerrechtliche Kriegserklärungen in der Propaganda der frühen Neuzeit in MIÖG 84 (1976) 381, 409.