Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785

Lombardei und Freimaurerpatent 1785 151 Monate später, im März 1782, zum Meister vom Stuhl gewählt wurde. Aus der langen Reihe der Aufnahmen und Affiliationen sollen nur einige zur Illu­stration angeführt werden: der Kreishauptmann Johann Jakob von Ingram aus Bozen, der Vizepräsident des Prager Guberniums Prokop Graf Lazanzky, der spätere Polizeipräsident Franz Graf Saurau, der Obergespansverwalter des Komitats Eisenburg Ludwig Graf Batthyány, der böhmisch-österreichi­sche Hofkanzler Leopold Graf Kolowrat-Krakowsky, einer der höchsten Be­amten der Monarchie, der bereits eine Woche nach seiner Affiliation zum de­putierten Meister gewählt wurde61), und vor allem der neue Gubemialpräsi- dent von Galizien Graf Joseph Brigido, der am 12. Februar 1785 an einem Abend aufgenommen, zum Gesellen befördert und zum Meister erhoben wurde, vor seiner Abreise nach Lemberg. Besonders hier liegt der Verdacht nahe, daß Brigido, ähnlich wie Wilczek in der Lombardei, sofort zum Groß­meister der in Aussicht genommenen Provinzialgroßloge von Galizien auser­sehen war und dafür die knappe Vorbereitungszeit eines einzigen Abends für ausreichend befunden wurde62)! Das hieß nicht nur, die Freimaurerei für po­litische Ziele einzusetzen, ein solches Verfahren mußte bereits ihren eigentli­chen Inhalt völlig außer Acht lassen. Was die Loge „Zur Wahren Eintracht“ als geistiges Zentrum der österreichi­schen Maurerei, Aufklärung und Wissenschaft im übrigen bedeutet hat, ist mehrmals dargestellt worden63). Diese Leistungen sollen hier nicht geschmä­lert werden. Sie bedeuten den Höhepunkt der österreichischen Freimaurerei überhaupt. Es muß aber auch bedacht werden, um welchen Preis das gesche­hen ist. Die josephinische Reform hat das individuelle Leben der einzelnen Logen zerstört und die wachsende Opposition - vor allem wohl unter den äl­teren Brüdern — gewaltsam unterdrückt. Der zunehmende Widerstand wird in der Lombardei, aber auch in Österreich, Böhmen und Ungarn deutlich sichtbar. In dieser Situation entschloß sich Kaiser Joseph in seiner raschen Art zur Abfassung des Handbillets vom 11. Dezember 1785, für das man die Illuminaten, die Rosenkreuzer, die Asiatischen Brüder und die Winkellogen verantwortlich gemacht hat. In Wirklichkeit war es wohl vor allem der Wi­derstand gegen die von oben verordnete Reform und die Beseitigung der Hochgrade, im einzelnen auch gegen die nun viel zu mächtige Stellung der Großen Landesloge, des Ignaz von Born und seiner Gesinnungsgenossen. Dazu trat verschärfend das Mißtrauen und die ständige schlechte Laune des Kaisers, der im Jahr 1785 den stets wachsenden Schwierigkeiten im Inneren und der ständigen persönlichen Überforderung kaum mehr gewachsen 61) Protokoll der Loge „Zur Wahren Eintracht“: Vertrauliche Akten 89 (alt 133). Ingram wurde 1783 Oktober 27, Lazansky 1783 Oktober 21, Saurau 1783 September 12 und Batthyány 1784 Januar 30 aufgenommen, Kolowrat 1783 Oktober 6 affiliiert. 62) Ebenda fol. 199: Vor der Aufnahme des Grafen ersuchte am 7. Februar 1785 der Meister vom Stuhl der „Wahren Eintracht“, Ignaz von Born, die Brüder um Dispens zur Erteilung der weiteren Grade, da es „der Kaiser gerne sehe, daß die Chefs in einem Lande in den Orden auf genommen würden“. 63) Rosenstrauch-Königsberg Freimaurerei 48-59.

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