Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785
Lombardei und Freimaurerpatent 1785 147 zwei in Wien verbliebenen Logen üblich sei41). Ein weiteres undatiertes Konzept Reinas an die lombardische Provinzialgroßloge, wohl vom Anfang des Jahres 1786, enthält noch die Zusicherung, daß die Mitgliederlisten bei den Polizeichefs auf Befehl des Kaisers ebenso geheim wie die Conduitelisten der Beamten verwahrt werden müßten42). Mit der Verschiebung um ein Jahr hat die von Francovich so herausgestrichene, nur im Konzept Reinas überlieferte Absicht des Kaisers zur Heranziehung der Freimaurerei für pädagogische Zwecke viel von dem ihr zugeschriebenen Aussagewert verloren43 44). Nach der Veröffentlichung des Patents bedeutete das wohl eher einen Versuch zur Beruhigung und Aufmunterung der Brüder, die durch das Handbillet aufgestört waren, als Absichten des Kaisers zum Einsatz der von ihm so rigoros eingeschränkten Maurerei. Immerhin hat Giovanni Viazzoli, allerdings um einen sehr hohen Preis, sein Ziel im Kampf gegen die Mailänder Winkellogen erreicht. Noch Ende Oktober 1785 hat er eine letzte eindringliche Warnung vor seinen Gegnern nach Wien geschickt, in der er den Untergang des Ordens in der Lombardei voraussagt, wenn dem Treiben der Geheimlogen kein Ende gesetzt werden könne: ,Ihr wißt nur zum Teil, was ich getan habe, um die Maurerei in dieser Stadt zu festigen, Ihr wißt auch nur zum Teil, was mir in dieser Zeit an Leid durch die Ausgestoßenen zugefügt worden ist. Alles in allem kann ich Euch mit Sicherheit sagen, daß es noch vor einem Jahr sehr gut gegangen ist, jetzt aber ist bei den Brüdern eine allgemeine Abkühlung eingetreten, die mich den vollständigen Untergang fürchten läßt144). Durch die Beschränkung auf eine einzige Loge wurden auch die Distriktloge und die Provinzialgroßloge zu einer Farce. Ihre Mitglieder wurden am 13. Dezember 1784 gewählt. Die Großloge sollte aus Graf Wilczek als Großmeister, aus Graf Künigl und Marchese Calderara als Großaufsehern und aus Giovanni Viazzoli als Großsekretär bestehen. Die dreizehn Mitglieder der Distriktloge setzten sich ebenfalls nur aus Brüdern der „Concordia“ zusammen. Neben den genannten Angehörigen der Großloge waren dies der Advokat Dr. Strigella, der Arzt Dr. Bianchetti, der Kaufmann Pestalozza, die Priester Ba- gatti und Recalcati und die Beamten Belinzago, ein Kollege Viazzolis bei der Mailänder Rechenkammer, und der Siegelbewahrer und Archivar Premoli. Dazu kamen noch ohne Berufsangabe der Engländer Thomas Lee und Anni41) Reina an Viazzoli, 1786 (statt irrtümlich 1785) Februar 13 (ebenda fol. 105f): „Non posso a menő di raccomandarvi la maggior attenzione nella scelta de Membri posto che si scorge dalle intenzioni di Sua Maiestä che vol servirsi del Or(dine) R(eale) per una scola di soggetti perfetti...“. Schon die Anspielung auf die zwei neuen Wiener Logen „Zur Neugekrönten Hoffnung“ und „Zur Wahrheit“ ergibt, daß der Brief erst 1786 geschrieben worden sein kann, da sogar das Freimaurerpatent für Wien noch drei Logen bewilligt hat, von denen dann aber nur zwei zustandekamen. 42) Reina an die lombardische Provinzialgroßloge, Datum unleserlich: ebenda fol. 108. 43) Francovich Storia 365L 44) Viazzoli an Reina, 1785 Oktober 29: Vertrauliche Akten 71 fol. 54f. 10*