Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785
Lombardei und Freimaurerpatent 1785 137 ren am Templerorden mit dem ausdrücklichen Hinweis ablehnte, daß das zu einer Zeit nicht mehr angehe, in der Joseph II. die religiösen Orden aufhebe. Ditfurth erklärte dabei, wieder mit Berufung auf den Kaiser, daß der „allgemeine Zweck der Freimaurerei allgemeine Menschen- und vorzügliche Bruderliebe, Wohltätigkeit, Aufklärung und Duldung“ sein solle5). Schon hier läßt sich der enge Zusammenhang der Reformen Josephs II. mit den Bestrebungen der humanitären englischen Freimaurerei erkennen, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf den Kontinent übergegriffen, dort aber durch das Hochgradwesen und zahlreiche Zusätze und Änderungen viel von ihrem rationalen Charakter verloren hatte, der sich nur in den drei sogenannten symbolischen Graden — dem Lehrling, Gesellen und Meister — fortsetzte. Auf diesen Graden hat nach Wilhelmsbad dann Ditfurth den sogenannten „Eklektischen Bund“ gegründet, der die strikte Observanz ablöste6). Zur Abwehr der elitären und mystisch-religiösen Hochgrade hatten schon vor dem Regierungsantritt Josephs II. in Ungarn die Grafen Johann Draskovic und Stefan Niczky - ein Kroate und ein Magyaré - ein neues Freimaurersystem errichtet, das ähnlich und fast gleichzeitig mit dem von Adam Weishaupt in Ingolstadt gegründeten Illuminatenorden vor allem erzieherisch und politisch im Sinn der Aufklärung für eine neue Gesellschaftsordnung wirken wollte7). Die bald über ganz Ungarn und die Militärgrenze verbreitete Dras- kovic-Observanz hat angeblich schon 1777 Vortragsthemen für die Vertreter einzelner Berufsgruppen vorgeschrieben, die den späteren Reformen Josephs II. bis in Einzelheiten entsprachen, ihr Programm enthält außerdem eine ausgesprochen egalitäre Tendenz, etwa mit dem Grundsatz, daß auf evolutionärem Wege nichts anderes beabsichtigt sei, als „die Großen zu unserem Stand zurückzubringen und die Geringeren zu uns zu erheben“8). Wenn der zeitliche Ansatz richtig ist, bleibt nur die Möglichkeit, daß die hier geschulten Männer auch den Kaiser und sein Reformwerk entscheidend beeinflußt haben. Dafür würde auch sprechen, daß viele Angehörige der Draskovic-Lo- gen später Vorkämpfer der Reform in Ungarn geworden sind. Der Aufschwung, den die Logen in den ersten Regierungsjahren Josephs II. genommen haben, vor allem der ungemein starke Zustrom von Offizieren und Beamten, kann nur zu dem Schluß führen, daß diese Entwicklung von 5) Mensing Freimaurer-Konvent 39f. 6) Eugen Lennhoff und Oskar Posner Internationales Freimaurerlexikon (München—Zürich-Wien 1932, Nachdruck Graz 1965) Sp. 412f. 7) Abafi 2 (Budapest 1891) 284-367. Das Werk Aigner-Abafis, das ihm in Wirklichkeit Gustav Brabbée zusammengestellt hat, beruht auf den seit 1945 verlorenen Beständen des Archivs der Grafen Festetics in Dégh. Abschriften Brabbées befinden sich heute noch im Magyar Országos Levéltár in Budapest. Für alles, was nicht in den Vertraulichen Akten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs enthalten ist, bildet daher heute Abafi die einzige, wenn auch nicht ganz zuverlässige Quelle. Über die Illumina- ten vgl. jetzt Richard van Dülmen Der Geheimbund der llluminaten. Darstellung, Analyse, Dokumente (Stuttgart-Bad Cannstatt 1975) und Ludwig Hammermayer in Handbuch der bayerischen Geschichte 2 (München 1966) 1027-1033. 8) Abafi 2 328.