Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Georg WACHA: Italienische Zinngießer nördlich der Alpen

Italienische Zinngießer nördlich der Alpen 115 Möser nennt also ausdrücklich die Italiener und Tiroler, und im Jahre 1768 richten sich z. B. die Beschwerden gegen „fünf und mehr fremde Tiroler“, die von der Regierung in Osnabrück vertrieben werden sollten50). Mais wollte den italienischen Zinngießern speziell den Typus der Zinnpitsche mit Schraubverschluß zuordnen, einer meist sechsseitigen Schraubflasche - gelegentlich kommen auch vier- oder achtseitige Gefäße vor — und einer sol­chen mit zylindrischem Mantel51). Als Generalisierung ist dies sicher unrich­tig, viele heimische zunftgebundene Meister haben auch Zinnpitschen herge­stellt52). Die „Plattengießer“ waren aber nicht mit einer solch großen Zahl von Formen versehen, daß sie komplizierte Krüge oder Kannen gießen konn­ten. Mantel, Boden und Schulterplatte aller Schraubflaschen sind durchwegs aus Platten zusammengesetzt beziehungsweise ausgeschnitten. Ein von Ort zu Ort ziehender Zinngießer — in der Schweiz Galangger oder Fecker ge­nannt 53) - betrieb sein Gewerbe meist auf der Straße, ein ganz bescheidener Bestand an Werkzeugen mußte für die Produktion ausreichen. Viele der nicht mit Meisterzeichen versehenen Pitschen mögen also von italienischen „Stö­rern“ angefertigt worden sein, die in einem Kupferkessel über kleinem Feuer die notwendige Materialmenge erzeugten. Als Einnahmsquelle ließ man sich die fremden Zinngießer nicht entgehen. An vielen Stellen kann nachgelesen werden, daß eine Rekognition von beachtli­cher Höhe jährlich entrichtet werden mußte, um die Erlaubnis zum Zinngie­ßen und Zinnhandel in den verschiedenen Ländern zu erhalten. Auch Füh­rungszeugnisse für italienische Hausierer sind üblich, so in Menden 1781, 1805 und 181154). Ganz speziell wird den italienischen Zinngießem z. B. ver­boten, Zinndeckel auf Krüge zu machen55). Im 19. Jahrhundert gibt es schon genauere Listen über die Waren, die von den Zinngießern angefertigt wurden. Josef Borocco, der 1855 mit Familie nach Schopfheim kommt, vertreibt seine Erzeug­nisse im Oberrheingebiet. Es werden darunter aufgezählt: Bettflaschen, Teller, Löffel, Gabeln, Schraubflaschen und Küchengerät (H. 6 1245). Seltener sind die Angaben über besondere Künste der wandernden Zinngießer. Als Jo­sef Bartholme Morendino von Mailand sich um eine Aufenthaltsbewilligung in Passau bemüht, gibt er an, er habe gelernt, in besonderer Manier geschlagene Zinnarbeiten zu machen, und zwar in solcher Form, daß derlei ein Passauer Zinngießer niemals zu­standebringe. Morendino hat seinem Ansuchen zufolge an vielen Orten für vornehme Personen mit zwei Gesellen gearbeitet, z. B. in Regensburg neun Monate hindurch. Er Werke 4, Oldenburg—Berlin 1943) 171f. Vgl. Walter Borchers Bäuerliches Zinn in Westfalen und im angrenzenden Niedersachsen in Rheinisch-Westfälische Zeitschrift für Volkskunde 5 (1958) 177 f. 50) Kohlmann Zinngießerhandwerk 78. sl) Mais Die „Katzelmacher“ 44f. 52) Vetter-Wacha Linzer Zinngießer 49f, Tafel 14 und 15. 53) Gustav Bossard Die Zinngießer der Schweiz und ihr Werk 1—2 (Zug 1920, 1934). 54) Pieper-Lippe Zinn im südlichen Westfalen 114 (nach den Mendener Ratspro­tokollen). 55) Ebenda 91 (Hochstift Paderborn). 8*

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