Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

Rezensionen

Rezensionen 563 tik und Diplomatie, Wirtschaft und Finanzen sowie Kultur und Religion der Zeit von 1623 bis 1644 werden hier auf der Grundlage ausgedehnter Archiv- und Literaturstudien in einer äußerst materialreichen Synthese erstmals zusammengesehen. Der Versuch des Barberini-Papstes, noch ein­mal eine Politik des italienischen Gleichgewichtes im Stil der Renaissance- Päpste zu treiben, führte zur Abhängigkeit von Frankreich, zum Erschlaf­fen gegenreformatorischer Dynamik und (verbunden mit einem maßlosen Nepotismus) zu teilweise katastrophalen Konsequenzen für die päpst­lichen Finanzen. Stagnation und Immobilität kennzeichneten vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht die römische Entwicklung unter Urban VIII. Man zögert jedoch, dies als Signum für die gesamte Epoche des Barockpapst­tums gelten zu lassen: Das päpstliche Rom schuf doch gerade damals in der Kulturpflege und in den bildenden Künsten, vor allem in der Archi­tektur, Maßstäbe für ganz Europa. Gebildete, Gelehrte und Mäzenaten aller Konfessionen sahen hier ein Modell —, dies fürs erste noch unge­achtet der geistigen Gräben, die der Fall Galilei für die Zukunft aufwarf. Leider hat das Jahrhundert nach Urban VIII. in der neueren Papstfor­schung wenig Aufmerksamkeit gefunden. Diese Lücke spürt man gerade auch bei der Lektüre des vorliegenden Sammelbandes. Die Zeit davor, die Epochen der Renaissance und der katholischen Reform, werden immer­hin im Überblick von Alfred A. S t r n a d (S. 19—52) und Burkhard R o b e r g (S. 53—71) behandelt. R’s Beitrag enthält recht interessante Überlegungen zu der Funktion der Nuntiaturen im Rahmen der „koperni- kanischen Wende des Papsttums zur Seelsorge“ (Hubert Jedin). Frag­würdig ist jedoch R’s geographische Eingrenzung von katholischer Reform und Gegenreformation auf das Heilige Römische Reich und seine Nach­barn: Ein Blick auf die Heiligen der Reform verdeutlicht demgegenüber, aus welchen Ländern die spirituellen Kräfte der katholischen Erneue­rung kamen (Ignatius von Loyola, Carlo Borromeo, Franz von Sales usw.)! Eine neue Deutung für eine wichtige Epoche der Papstgeschichte ver­sucht Peter J. van Kessel in seinem Beitrag Rom und die französische Revolution (S. 179—197), wobei gerade auch die thesenhaft pointierte Form seiner Darlegungen positiv hervorzuheben ist. K. zeigt, indem er sich auf eigene und jüngere italienische Forschungen stützt, wie die Päpste und der Kirchenstaat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts teilnahmen an der allgemeinen Reformbewegung des aufgeklärten Absolutismus. Pius VI., Pius VII. und der Kardinalstaatssekretär Consalvi erscheinen als Exponenten eines aufgeklärten geistlichen Fürstentums, das franzö­sische Konkordat von 1801 wird interpretiert als die — zumindest tenden­zielle — Verwirklichung eines kirchlichen Reformprogramms, dessen Ver­treter schon seit längerem auf eine größere Spiritualisierung der Kirche zielten. Eine religiös inspirierte „katholische Aufklärung“ gab es ande­rerseits jedoch — wie K. einräumt — nur partiell im päpstlichen Rom. Dies zeigt auch im Vergleich Grete Klingenstein in ihrem Beitrag über Katholische Kirche und Aufklärung in Österreich (S. 168—178): Das Papsttum, das allen Tendenzen zum Episkopalismus mißtraute, versperrte sich gleichfalls den dahinter stehenden pastoraltheologischen Impulsen der katholischen Aufklärung im Reich. Van Kessel und Klingenstein be­tonen, daß die Forschung sich davor hüten müsse, das Kirchenbild des 36*

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