Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

MIKOLETZKY, Lorenz: Der Brand von Hamburg 1842. Aus den Akten der Staatskanzlei und der Präsidialabteilung der Hofkammer zu Wien

36 Lorenz Mikoletzky Bemerkungen über das Verhalten der Behörden, die Besinnung und Ruhe verloren hätten, was in den verschiedensten sinnlosen Operationen am Beginn des Brandes seinen Ausdruck gefunden hätte. Aber bald nachdem sich die Kunde von dem Unglück verbreitet hatte, kamen die Hilfelei­stungen der Nachbarstaaten in Gang, die vor allem zuerst Löschpersonal und Hilfstruppen entsandten. Am 13. Mai ging aus Wien die Nachricht an den Generalkonsul ab, „daß S. M. Unser Allergnädigster Herr sich veranlaßt finden werde, darauf [auf die Berichte] einzuwenden, daß den verunglückten Bewohnern der Stadt Hamburg aus den österreichischen Staaten nachhaltige Unterstützun­gen zufließen“5). Vorerst aber kam handgreifliche Hilfe aus Altona, Feuerspritzen aus Lübeck und Kiel; dänisches Militär versah den Polizei­dienst mit der Bürgergarde der betroffenen Stadt, und ein Teil der Garni­sonen Lübeck und Harburg wurde erwartet6). Das Eingreifen des Mili­tärs war nötig, da wie bei allen Ereignissen dieser Art Plünderer auftra­ten, und die Hysterie der Massen, angefacht durch den Anblick der Flam­men, einen oder mehrere Schuldige für das Unglück zu finden suchte. Die Übeltäter sah man aus nicht völlig ersichtlichem Grund in den Engländern: Sie seien es gewesen, die die Stadt in Brand gesteckt hätten. Zum Zeit­punkt des Ausbruchs der Katastrophe befanden sich viele englische Matro­sen in der Stadt, die ja schon durch ihre Lage allein für den Seehandel prädestiniert war. Die große Maschinenfabrik auf dem Grasbrook be­schäftigte außerdem viele Arbeiter aus England, die den Einheimischen schon lange verhaßt waren. Es kam zu Ausschreitungen, bei denen aber auch Personen von „englischem Aussehen“, wie der junge Friedrich Hebbel, bedroht wurden. Aber nicht nur gegen die angeblichen Brandstifter ging man vor: Das Bürgermilitär, das sich in dieser ernsten Probe besser hielt als sonst auf den Exerzierplätzen, mußte mehrmals, mit den Linientruppen vereint, dem Pöbel und dem vom Lande in die Stadt eingedrungenen Ge­sindel, das plünderte und zerstörte, regelrechte Straßenschlachten liefern. Die in die Stadt gebrachten Lebensmittel, vor allem für die im Einsatz be­findlichen Spritzenleute, die Wachen und Posten, wurden von einer mili­tärischen Eskorte begleitet7). Vor seinem Bericht über die auftretenden Unruhen sieht sich Pretis ver­pflichtet, am 8. Mai über den Zustand der Stadt nach Erlöschen des Bran­des zu berichten: „... Beinahe ein Viertheil der Stadt ist zu einer Schauder erregenden Ruine geworden. Die schönsten Privathäuser in dem lebhaftesten Mittelpunkt des Ver­kehrs, viele davon noch im Glanze der Neuheit prunken [d], die reichsten Speicher und Magazine, mehrere öffentliche Gebäude, wie drei Kirchen: die 5) Vgl. Anm. 1. «) Vgl. HHStA StK Hamburg 41: Bericht 31/1842. 7) Heinrich von Treitschke Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahr­hundert, zusammengefaßt und hg. von Heinrich Heffter 2 (Leipzig 1934) 554 ff und wie Anm. 6.

Next

/
Oldalképek
Tartalom