Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien
österr. Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien 157 les tribunaux ottomans, lesdits sujets n’y comparaitront que du su du consul ou de Pinterpréte, et lorsqu’il sera nécessaire de les emprisonner, ce seront les consuls qui les emprisonneront“ 7). Da dieser Artikel bei konsequenter Beachtung in der Praxis auf entscheidende Fragen nur eine unvollständige Antwort erteilte und außerdem in einem Mißverhältnis zu den mit den anderen Ländern vereinbarten Konzessionen stand, war er der Hauptgrund für zahlreiche Meinungsverschiedenheiten 8 9). Während jedoch am Wortlaut des Passarowitzer Vertrages bis zum Ende der bosnischen Konsulate festgehalten wurde, änderten sich gerade im 19. Jahrhundert Motivierung und Auslegung der Kapitulationen. In einer Stellungnahme von 1812 hieß es noch, die heterogene Menge der österreichischen Untertanen und Schutzgenossen in der Levante bedürfe eines „unmittelbaren kraftvollen Zaumes“; vor allem müsse die Einhaltung von Verträgen garantiert und damit „der Nationalkredit, diese Seele des Handels, durch einen heilsamen Zwang gegen nachlässige Schuldner in Schutz genommen“ werden. Die europäischen Mächte seien, da die Türkei in den Traktaten auf die Gerichtsbarkeit über Europäer verzichtet hat, somit für Schutz und Betragen ihrer „Nationalkörper“ verantwortlich, — und dies und nichts anderes bedinge den „Ursprung der richterlichen Gewalt“ der Konsuln8). In einer 1834 verfaßten Studie des k. k. Konsuls in Saloniki, Wilhelm von Chabert, wurden bereits „Heterogenität und Einseitigkeit der türkischen Gesetzgebung in ihrer Unanwendbarkeit auf Fremde und besonders in der Willkürlich- keit der Machthaber“ zu motivierenden Faktoren erklärt10 *). Als der österreichische Konsularverband in Bosnien und der Herzegowina installiert wurde, war soeben vom Handelsministerium eine Reform der trak- tatenmäßigen Rechtspflege eingeleitet worden; das Ergebnis mehrjähriger kommissioneller Verhandlungen wurde 1855 publiziert n). In der Praxis trat diese Reform nur wenig in Erscheinung. Sobald es zu Differenzen mit den türkischen Lokalbehörden kam, bildete für die österreichischen Konsularbeamten der Artikel 5 von Passarowitz das entscheidende Aus7) Text nach dem Recueil des Traités de la Porte Ottomane avec les puissances étrangéres, par I. de Testa, 9 (Paris 1898) 85 f; weitere Drucke verzeichnet Ludwig Bittner Chronologisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge 1 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 1, Wien 1903) 134 n. 708. 8) Siehe unten S. 176 ff und Pellissié du Rausas Le Régime 1 414 f. 9) Note der Staatskanzlei an Oberste Justizstelle, 1812 September 1 (Beilage A zu Bericht Stürmer, 1834 Dezember 9): Admin. Reg. F 30/15. 10) Das Richteramt, wie es von den k. k. Konsulaten in der Levante ausgeübt wird: ebenda. 11) Uber die Verhandlungen der Fünfzigerjahre umfangreiches Material in Admin. Reg. F 30/15 und 17; zusammenfassend Karl Krabicka Das österreichische Konsularwesen zwischen 1849 und 1859 (ungedruckte phil. Diss. Wien 1953) 28 f, 36 ff, 63.