Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

DIRNBERGER, Franz: „200 Jahre Burgtheater“. Auf der Suche nach einem Jubiläum

192 Franz Dirnberger Zeit forderte und anwandte, würde von der Klassik nicht viel übrig ge­blieben sein. Heute erscheinen die moralischen Bedenken, die Ablehnung von „Zauberstücken und Verkleidungen“, ja sogar der „pöbelmäßigen Sprache“ S!) lächerlich oder widersinnig. Die einst so großartig eingeschätz­ten Reformbestrebungen wären nach heutigen Maßstäben längst in an­gemessene Bedeutungslosigkeit zurückgesunken, würden sie nicht mit fal­schen Jubiläumsvorstellungen künstlich hochgehalten. Im übrigen sind die Textbücher, so wie sie auf uns gekommen sind, geduldig; der Druck keines dieser Bühnenstücke verrät die Extempora der Schauspieler, die Musikein­lagen, die Mimik usw., weder vor noch nach 1776. Damals war die Unter­haltung wichtiger als „Kulturpolitik“ — der Hof forderte dabei nur die Berücksichtigung der guten Sitten. Schauspiel und Publikums Wirkung sind eng miteinander verflochten; das Weiterführende sind jedoch die Kassaeinnahmen. Soweit die Unterlagen zurückreichen, leiden die Theater an Geldmangel. Finanzminister Graf Stadion führte in einem Gutachten an den Kaiser aus, daß seiner Mei­nung nach die „Hoftheater nie eine Finanzquelle werden können noch sollen“ * 82). Die Pächter, welche anderer Ansicht waren (sonst hätten sie sich nicht um die Führung der Hof theater bemüht), erhielten eine ent­sprechende Belehrung. Lo Presti wurde mit einer Summe von 100.000 fl. abgefertigt. Hilverding fand zur rechten Zeit eine Ablöse. Auch Afflisio ge­lang gerade noch die Flucht; sein Nachfolger Koháry büßte aber sein ge­samtes Vermögen ein. In der nachfolgenden Periode erging es dem Frei­herrn von Braun, der wie seine Vorgänger Selliers und Afflisio über das alleinige Theaterprivileg in Wien (mit Ausnahme der neuerbauten Thea­ter in der Leopold- und Josephstadt und den Jahrmarktsbühnen), die Tier­hetze und das Redoutenprivileg verfügte, wohl noch am besten. Ge­schickt manövrierte er die Hoftheater, wie seine Rechnungsabschlüsse in den Hoftheaterakten beweisen, mit einem Staatszuschuß von 40.000 fl. von 1794 bis 1804. Nur Einkünfte über diesen Betrag mußte er ab­liefern. Natürlich erreichten seine Überschüsse nie diese Höhe, sondern be­wegten sich etwa zwischen 12.000 und 35.000 fl. Vertraglich war ihm die Ablöse der von ihm für die Aufbesserung des Theaterfundus gemachten Aufwendungen zugesichert. Die Schätzung desselben ergab 1794 die Sum­me von 20.000 fl.; zehn Jahre später betrug der Wert trotz genauester Prü­fung 120.000 fl. Braun erhielt die Ablöse (in der ihm zugewiesenen gali- zischen Tranksteuer?). Natürlich muß diese Summe zum Gewinn addiert werden. In der Vertragsverlängerung verzichtete er auf den Staatszu­schuß gegen Erweiterung der Befugnisse des Kontraktes. Unter anderem erhielt er das Recht (das von den Hofbehörden besonders unter Pálffy heftig angefochten wurde), nach Belieben Individuen anzustellen oder zu entlassen. Braun scheint frühzeitig eingesehen zu haben, daß es ein Fehler si) So Sonnenfels im Promemoria (ebenda). 82) Generalintendanz 229 ex 1817.

Next

/
Oldalképek
Tartalom