Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 299 griffen diese dankbar zu, um die liberale Hochburg Innsbruck zu schwä­chen. Tatsächlich gelang es, den Kompromißkandidaten Dr. Gegenbauer in den Gemeinderat zu entsenden. Mit seiner Wahl hatte der Antisemitis­mus in Innsbruck Einzug gehalten, wenn er auch einen mehr theoretischen als praktischen Charakter hatte, da das Wirtschaftsjudentum in Tirol einfach keine Rolle spielte. Immerhin war der Eindruck auf den Statt­halter Widmann so groß, daß er Taaffe schrieb: „Ich bemerke, daß die Tatsache, der Antisemitismus habe im Innsbrucker Gemeinderat eine Stimme erhalten, umso bedauerlicher ist, als Innsbruck bisher von diesen Parteibestrebungen verschont blieb, und der Gemeinderat in seinem Schoße selbst einige Angehörige birgt, welche sich allgemeiner Ach­tung erfreuen“ 161). Für die Konservativen war das Zusammengehen mit diesen Gruppen ein reines Zweckbündnis. Sie erkannten auch, daß ihnen aus den „Vereinig­ten Christen“, wenn sich diese als christliche Partei weiterentwickelten, eine arge Konkurrenz erstehen konnte. Tatsächlich bildeten die „Ver­einigten Christen“ die Keimzelle für die spätere Christlichsoziale Partei in Tirol. Das ganze Ideengut der späteren Christlichsozialen in Tirol war in der Zallinger-Gruppe und den „Vereinigten Christen“ schon damals vorhanden. Von den Liberalen und dem Bauernverein übernahmen sie das Schlagwort „Wählt nur Bauern“, das gegen die Geistlichkeit gerichtet war, und begannen somit mit der Verpolitisierung des Bauernstandes, die ihren Höhepunkt in der Gründung des Tiroler Bauernbundes im Jah­re 1904 durch die Christlichsozialen fand162 *). Die politische Führung durch die Bischöfe lehnten sie ebenso ab wie die Christlichsozialen. In dieser parteipolitisch so bewegten Zeit, in der die Akzente für die folgenden Jahrzehnte gesetzt wurden, trafen die Konservativen zwei har­te Schläge. Am 16. August 1889 starb ihr alter Kämpfer, Ignaz Giovanelli, der als einziger Tiroler im Exekutivausschuß der Rechten gesessen war und als Vizepräsident der gesamten Rechten fungiert hatte les). Einen Mo­nat später, am 19. September, folgte ihm Landeshauptmann Dr. Franz Rapp, der noch im Juli neuerdings auf Vorschlag des Statthalters zum Landeshauptmann ernannt worden war 164). Sein Nachfolger wurde Graf Brandis, der Klubobmann der Konservativen im Landtag, weil er, wie es Widmann ausdrückte, der „fortgeschrittenen clerikalen Richtung“ ange­hörte. Damit war sicherlich die Opportunistengruppe der Konservativen ge­meint, die nicht im absoluten Gegensatz zur Regierung stand 165). Der neue Landeshauptmann stand an der Spitze einer geschwächten und 161) TLA Statth. Präs. 3156: Widmann an Taaffe, 1889 Mai 13; vgl. Ott Geschichte Tirols 1 297. 162) Vgl. Schober Das Verhältnis der Katholisch-Konservativen [Teil 2] in Tiroler Heimat 39 (1975), im Druck. iss) Ott Geschichte Tirols 1 314. 164) TLA Statth. Präs. 3/II 4384: Widmann an Taaffe, 1889 Juli 9. iss) Ebenda 3/II 5928 ad 4384: Widmann an Taaffe, 1889 September 21.

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