Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe
Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 293 Austritt der Abgeordneten aus dem Hohenwartklub, — und dies hätte den Weg in die Opposition bedeutet. Ein solcher Schritt war aber für die Partei gefährlich, denn damit wäre die von Kathrein eingebrachte Gebäudesteuererleichterung endgültig zu Fall gebacht worden140 141), was die Liberalen sicherlich ausgenützt hätten. Die Abgeodneten fanden sich ,,zwischen Amboß und Hammer“, wie sich Helfer ausdrückte. Der radikale Flügel der Partei war bereit, nun offen gegen die Regierung aufzutreten und drängte die Abgeordneten, in die Opposition zu gehen. So schrieb Helfer, der Schriftführer des Volksvereins, an Kathrein: „Was die Schwächung der Rechten und dadurch des Systems betrifft, so macht dieses Phantom im konservativen Tirol keinen Hund mehr kauern. Auf die Taaffe’sche Schaukelpolitik mit ihrer liberalen Verwaltung und Regierung und mit ihrer liberalen Durchführung selbst der einigermaßen im konservativen Geiste geschaffenen Gesetze darf nach zehnjährigem Zuwarten keine Rücksicht mehr genommen werden. Ein Systemwechsel, zumal, da es sich ohnehin um ein System von heute auf morgen handelt, kann die konservative Sache nicht wesentlich schädigen. Wenn die katholische Bewegung dem Judenliberalismus noch leider keinen unübersteiglichen Damm entgegengesetzt hat, so sorgt der Antisemitismus, daß die liberalen Bäume auf keinen Fall in den Himmel wachsen können. Also nur nicht so ängstlich in dieser Richtung. Ich wiederhole, wenn seitens der tirolischen Abgeordneten gegenüber der neuerlichen Vertagung des Liechtensteinschen Antrages nicht ein entschiedener Schritt unternommen wird, ist es um ihr Vertrauen im Lande geschehen“ 444). Als Mittel, die hochgehenden Wogen zu glätten, sahen die konservativen Abgeordneten den zweiten österreichischen Katholikentag an, zu dem vierzig hervorragende Katholikenführer Anfang November aufgerufen hatten. Man wollte auf dieser Tagung öffentlich die Macht des Katholizismus in Österreich demonstrieren und alle politischen Forderungen, vor allem die das Schulwesen betreffenden, festlegen. Nachdem sogar der Papst den Katholikentag begrüßt hatte, berichtete plötzlich am 15. November das Vaterland, daß der Katholikentag auf Mai 1889 verschoben worden sei. Wieder war es der Kaiser gewesen, der die Vertagung bewirkt hatte, weil er jede Beunruhigung der innenpolitischen Lage vermeiden wollte, um die Wehrvorlage im Reichsrat nicht zu gefährden 142). Die Konfrontation zwischen dem radikalen Flügel der Partei, der sich selbst die „schärfere Tonart“ nannte, und dem gemäßigten, der sogenannten „milderen Tonart“, war unausweichlich. Die Brixener Chronik, die Professor Schöpfer wenige Monate zuvor als Organ der „Scharfen“ gegründet hatte, forderte eine großangelegte Volksversammlung des Volksvereins, die die Abgeordneten im letzten Moment noch verhinderten. 14°) Kathrein hatte am 9. Februar 1888 einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, der am 20. Februar zur ersten Lesung kam. Diese Gelegenheit benützten die Liberalen zu heftigen Angriffen wegen der Haltung der Konservativen im Jahre 1882 (vgl. TLA Nachlaß Kathrein: Dr. Rapp an Kathrein, 1888 Februar 25). 141) Ebenda: Helfer an Kathrein, 1888 November 1. 142) Ott Geschichte Tirols 1 269 f.