Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 291 Schulfrage im Vordergrund. Der konservative Tiroler Abgeordnete Graf meinte dazu: „Führt die Rechte gegen die Rechte Krieg? So muß man sich das Arbeits­programm dieser Session erklären. Die Aktion war so ungeschickt, daß die Schule den Platz unter dem Tische angewiesen erhielt und das noch unter der Mitwirkung des Kaisers ...“ iss). Die so mißlungene politische Aktion hatte natürlich negative Auswirkun­gen auf das Verhältnis der Abgeordneten zum Parteivolk. Sehr bezeich­nend artikulierte der Kurat der kleinen Gemeinde Käppi des Paznaunta- les, Wassermann, das Unbehagen des Volkes: „Unser Mißtrauen gegen die Regierung ist gewiß nicht mehr ungerechtfertigt. Und nachdem dieses Mißtrauen einmal vorhanden ist und durch die neuen Steuergesetze [damit war vor allem das Gebäudesteuergesetz gemeint] noch mehr Nahrung erhalten hat, so geht es gleichsam naturgemäß zum Teil auch auf die Abgeordneten über, welche die Regierung stützen“ is4). Der Bruch zwischen Parteivolk und Abgeordneten wurde noch dadurch vertieft, daß die Tiroler Vertreter im Reichsrat es nicht einmal für nötig fanden, sich vor ihren Wählern, wie es üblich war, zu rechtfertigen. Kathrein drückte die Einstellung der Abgeordneten zum Wähler in einem Brief an einen unbekannten Geistlichen aus: „Ich habe nach Popularität nie gehascht, sondern war nur bedacht, als Abge­ordneter nach bestem Wissen und Gewissen, so sich nur eine Gelegenheit bot, mein Mandat im Interesse meines Vaterlandes und meiner Wähler aus­zuüben. Wenn meine Wähler mit meiner Tätigkeit, weil dieselbe zu wenig lärmend ist, nicht zufrieden sind, so liegt es ja in deren Händen, bei der nächsten Wahl mich fallen zu lassen. Das wird mich nicht unglücklich mache; ich kann mit dem Bewußtsein zurücktreten, meinem Vaterland nicht unnütz gewesen zu sein“ 133 134 135 136). Man sieht deutlich, wie die konservativen Abgeordneten jede positive Beziehung zu ihren Wählern verloren hatten. Selbst die Tiroler Stimmen, das konservative Zentralorgan der Parteifühung, griffen die Abgeord­neten mit harten Worten an: „Nun möchte uns denn doch die Frage erlaubt sein, ob unsere Abgeordneten die Interessen ihrer Wähler oder die Interessen der Regierung zu vertreten ha­ben ...“ 136). Nach dem Mißgriff in der Gebäudesteuerfrage war dies der zweite un­heilvolle Schritt zum Untergang der Partei. Die Konservativen hatten die sonst nicht allzu politisch interessierte bäuerliche Bevölkerung Tirols mit dem Schlagwort „Glaube und Heimat“ mobilisiert und waren den eigenen Wählern aus Opportunismus gegenüber der Regierung in den 133) Ebenda: Dr. Graf an Kathrein, 1888 Jänner 12. 134) Ebenda: Wassermann an Kathrein, 1888 August 6. 135) Ebenda: Kathrein an unbekannten Geistlichen, 1888 November 1, Kon­zept. 136) Neue Tiroler Stimmen 1888 Mai 22; vgl. Ott Geschichte Tirols 1 260. Der Artikel stammt von Kurat Wassermann. Vgl. TLA Nachlaß Kathrein: Helfer an Kathrein, 1888 Mai 25. 19*

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