Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 259 gesetze an, die den institutionellen Einfluß der katholischen Kirche auf die Schule beseitigt hatten. Bis zum Berliner Kongreß von 1878 stand hinter den Liberalen die Krone. Kaiser Franz Joseph hielt im dynastischen Interesse an der zentralisti­schen Verfassung fest und sanktionierte auch die liberalen Schulgesetze, die dem Staat ein beinahe ausschließliches Recht auf die Schule zubil­ligten. Die Okkupation von Bosnien und Herzogowina spaltete jedoch die liberale Partei und brachte sie in einen gefährlichen Gegensatz zur Krone. Aus nationalen Erwägungen lehnte eine Gruppe der Liberalen, die sich um Dr. Herbst scharte, die Okkupation ab, da sie befürchtete, daß durch sie das Verhältnis der Deutschen zu den anderen Nationen zuungunsten der ersteren verschoben würde. Kaiser Franz Joseph, der sich zum ersten Mal während seiner Regierungszeit als ,Mehrer des Reiches“ sah, stellte sich gegen diese Nationalpolitik eines Teiles der Liberalen, und so war das Schicksal des liberalen Ministeriums Auersperg entschieden. Die libe­rale Partei hatte sich selbst ausgeschaltet, als sie sich aus national-poli­tischen Interessen gegen die vom Kaiser befürwortete Außenpolitik stell­te. Vor einem solchen Schritt hatte der Kaiser die Liberalen gewarnt, als er ihrem Abgeordneten Dr. Weeber zurief: „Drängen Sie die Regie­rung nicht nach rechts. Wenn Sie die Regierung drängen, dann bliebe ihr nichts anderes übrig“ J). Schließlich erhielt Graf Taaffe den Auftrag zur Bildung einer Regierung, die der Außenpolitik des Kaisers entsprechen und sich ihrerseits auf Parteien stützen sollte, die diese befürworteten. Graf Taaffe, der selbst mehrere Male in liberalen Kabinetten gesessen war, dachte zunächst nicht daran, an die Konservativen heranzutreten. Er versuchte eine liberale Regierung zu bilden, wobei er jedoch scheiterte. Nun boten sich die kon­servativen Elemente an, die sich besonders dadurch empfahlen, daß sie keineswegs radikal-national eingestellt und durchaus bereit waren, mit ideologisch Gleichgesinnten anderer Nationen zusammenzuarbeiten. Da Taaffe sich jedoch zunächst nur an die Liberalen gewandt hatte, schei­terte sein erster Versuch einer Regierungsbildung, und es wurde ein Geschäftsministerium unter dem Liberalen Stremayr gebildet. Taaffe be­kleidete das Innenministerium, mit dem er Einfluß auf die Wahlen, die 1879 ausgeschrieben wurden, nehmen konnte. Er galt als der zukünftige Mann. Die Wahlen brachten einen überwältigenden Sieg der konservati­ven Kräfte in Österreich. Die Liberalen verloren 49 Mandate, sodaß sie nur mehr 175 Abgeordnete in den Reichsrat entsenden konnten, während der Polenklub, die Tschechen und die Deutschkonservativen 172 Mandate besetzten. Wenn es gelang, über die Nationen hinweg eine breite Basis der konservativen Elemente zu schaffen, dann hatte Taaffe eine regie­rungsfähige Majorität hinter sich. !) Hugo H a n t s c h Geschichte Österreichs 2 (Graz—Wien 1947) 429. 17*

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