Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

BAXA, Jakob: Friedrich von Klinkowström und Friedrich Perthes. Literatur und Religion in Romantikerbriefen

252 Jakob Baxa den!“ — Sehr gefährlich und das stärkste und schrecklichste Blendwerk ist der angebliche innere Glaube, der jezt von einer zahlreichen Parthey ge­predigt und angenommen wird. Diese mystische Reformation, die Einzige, die wir noch zu fürchten haben mögen — bietet jedem gemüthlichen Menschen ein Seyn in Gott oder Christo schon hier auf Erden — das gegen alle Ordnung ist, und also in der Fülle und Taumel von Genüßen schwelgt. — Diese Gleichheits­lehre reißt das Volk sicherer und weiterer hin, als die staatsbürgerliche in der franz. Revolution. — Wir haben in Ober-Oesterreich schon das Beispiel, dass mehrere 100 Landleute (durch Bibel und Traktaten lesen verwirrt) den inneren Glauben angenommen, nicht mehr gearbeitet, von ihren Besitzthümern (Wei­bern pp) gezehrt, und im Wahn der betäubenden Gefühle erklärt, das heil. Meßopfer sey nicht hinreichend, Gott wolle grössere Opfer 18). Deßhalb haben sie wirklich Kinder gekreuzicht, gemartert, wie ich von Augenzeugen weiß. Wohin führt das Abweichen von positiven Glaubenslehren! — Wo ist doch jezt mehr Einigkeit, Frieden und Ordnung als in der Heil. Kirche! auf dem Felsen! — Wer kann ruhig aller vergeblichen Raison nach anderen Wegen des Heils entsagen, als der bescheidene, gläubige, hoffende, liebende Katholik! — Und wenn Gott unseren Mund öffnen wollen wird, so werden wir auch die * 27 18) Gemeint ist die chiliastische Sekte der Pöschlianer, die sich um den katholischen Priester Thomas Pöschl bildete. Dieser wurde am 2. Mai 1769 in Höritz im Böhmerwald bei Budweis geboren, 1796 zum Priester geweiht und war seit 21. Juli 1806 katholischer Pfarrvikar in Braunau. In dieser Eigenschaft leistete er dem Nürnberger Buchhändler Philipp Palm vor dessen Erschießung am 26. August 1806 den letzten geistlichen Beistand. Infolge dieses schweren Erlebnisses wurde er ein fanatischer Franzosenfeind und kam nach einer Untersuchung am 26. April 1812 als Kooperator nach Ampflwang bei Vöckla­bruck. Durch den Einfluß der Schwärmerin Magdalena Sickinger in seiner schwermütigen Anlage bestärkt, verkündete er seit 1813 die absolute Einwohnung Christi in den „Reinen“, deren Begnadigung durch Offenbarungen, die Ver­dammnis aller übrigen Christen und die baldige Aufrichtung der christlich­jüdischen Kirche der Endzeit. Unter Berufung auf seine Ideen bildete sich in Ampflwang die Sekte der „Brüder und Schwestern in Sion“, die aber von ihm abgelehnt wurde. Im Jahre 1814 wurde Pöschl in das Priesterhaus Salzburg eingewiesen. Drei Jahre später ließen sich die „Brüder und Schwestern in Sion“ unter der Anführung zweier Bauern namens Haas, die im Sinne Pöschls für 1817 das Weitende prophezeiten, zu drei „Sühnemorden“, wirklichen Menschen­opfern, hinreißen, weil sie der Ansicht waren, daß das Meßopfer zu wenig sei. Im Jahre 1817 wurde Pöschl in das Defizientenhaus nach Wien gebracht, wo er am 15. November 1837 in geistiger Umnachtung starb. Seine Anhänger, die Pöschlianer, starben um 1870 aus. Vgl. Lexikon für Theologie und Kirche 8 (Freiburg i. Br. 1963) 635 f und Mitteilung des Oberösterreichischen Landes- archives Linz vom 8. Mai 1973. — Auf diese Stelle in Klinkowströms Brief vom 21. April 1817 bezieht sich Perthes in seinem Schreiben an Adam Müller vom 27. Juni 1819 mit den Worten: „Klinkowström, der das Kreutzigen von katho­lischen Christen im Innern Oesterreichs der Lektüre der Bibel schuld picht“ (Jakob Baxa Der Briefwechsel zwischen Adam Müller und Friedrich Perthes, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts [1972] 307). Die dort in der An­merkung auf S. 308 ausgesprochene Ansicht, daß diese Worte bloß Angriffe gegen den Glauben von Seiten der Aufklärer und der staatskirchlich gesinnten Josephiner bedeuten, ist ein Irrtum, der hiermit vom Herausgeber des Brief­wechsels berichtigt wird. Sie beziehen sich auf tatsächlich stattgefundene Men­schenopfer einer chiliastischen Bauernsekte. In den landläufigen österreichischen Geschichtswerken wird diese traurige Episode nicht erwähnt.

Next

/
Oldalképek
Tartalom