Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

DIRNBERGER, Franz: „200 Jahre Burgtheater“. Auf der Suche nach einem Jubiläum

„200 Jahre Burgtheater“ 193 war, die sicheren 40.000 fl. fallen gelassen zu haben; dies dürfte die wahre Ursache dafür gewesen sein, daß er den Vertrag an die Kavaliersgesell­schaft zedierte. War es allein Brauns Geschicklichkeit, die die sonst so zögernd fließende, meist versiegende Einnahmenquelle zum Sprudeln gebracht hatte? J. H. F. Müller berichtet von dem Antrag der deutschen Schauspieler an den Kai­ser, er solle sie das Theater in Eigenregie weiterführen lassen83). Mag sein, daß Joseph diesem Ansinnen probeweise seine Zustimmung gab; hiefür wie für die gesamte Abwicklung scheinen die Kassabücher positive Aussagen zu liefern. Diese Rechnungsbücher 84) beginnen mit 1754; die äl­tere Serie bis 1775/76 ist von jener ab 1776/77 nur unwesentlich ver­schieden. Der Titel lautet ab 1776/77 Erste und Änderte kaiserlich könig­licher Theatral Hof Directions Cassae halbjährliche Rechnung über Emp­fang und Ausgab anno theatrali 1776, id est vom 6. Aprilis 1776 bis inclusive 28. Martii 1777 ... Entgegen der Ankündigung erfolgte die Ab­rechnung für das ganze Jahr, ab 1777/78 bis 1780/81 aber wirklich halb­jährlich, das heißt von Ostern bis Ende September und von Oktober bis Ostern. Aus späteren Berichten geht hervor, daß die Winterhälften je­weils ertragreicher waren. Das erste Theatraljahr in „Eigenregie“ endete mit einem Gewinn von 7064 fl. (Möglicherweise wollte der Kaiser die nächsten Abrechnungen wirklich halbjährlich durchführen lassen, um Aus­gaben- und Einnahmenverhältnisse genau vergleichen zu können.) Die Abrechnung der Sommerhälfte 1777/78 ergab wieder einen Überschuß von 5628 fl. Nach dem großen Zulauf, den das Brünner deutsche Singspiel im Spätherbst 1777 im Kärntnertortheater bewirkt hatte, bestand die be­rechtigte Hoffnung, daß auch die Aufführung eines deutschen Singspiels im „Burgtheater“ („Nationaltheater“) positiv verlaufen würde. Da der Versuch einen beträchtlichen Gewinn abwarf, ohne die Ausgaben stark hinaufzutreiben, konnte der Kaiser gegen die Beibehaltung keinen Ein­wand erheben, und die Erfolge gaben ihm recht. Wenn im Theatraljahr 1781/82 eine Ballettruppe verzeichnet wird, dürfte dies ebenso ein Ver­such gewesen sein; er scheiterte jedoch aus kostentechnischen Gründen, denn die hohen Ausgaben von über 15.000 fl. wurden durch einen ent­sprechenden Gewinn nicht nur nicht wettgemacht, sondern der Gewinn geradezu um diesen Betrag verringert 85). Dagegen steigerte die italieni­sche Oper ab 1783 die Einnahmen, obwohl die Sänger teurer waren als die 83) Theatererinnerungen eines alten Burgschauspielers, hg. von Richard Daunicht (Berlin 1958) 54 f. 84) Die ältere Reihe von 1754 bis 1775 kam seinerzeit von der Handschriften­sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek zusammen mit Geheimen Kammerzahlamtsbüchern in das Hofkammerarchiv, die Bände von 1776 bis 1804 liegen im HHStA Hof theater SR 11 ff. 85) Joseph an Rosenberg, 1781 September 4: „Was die Ballete anbelangt, da müssen Sie schon den M. Antonie in so weit gehn lassen, als er nicht in lächer­liche Ausgaaben verfallet ...“: Bill. Prot. 1781 (tom. V) n. 474 (Payer n. 19). Mitteilungen, Band 29 13

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