Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MECHTLER, Paul: Die Anfänge der Phototechnik im österreichischen Archivwesen

24 Paul Mechtler geäußert worden waren, vertrat der Innsbrucker Historiker Harold Steinak- ker in einer Studie die Ansicht, daß „landschaftliche Plattenarchive“ ge­schaffen werden sollten, wo alle Urkunden an einem Ort zur Bearbeitung be­reit stünden. Solche Sammlungen könnten die dringend notwendige diploma­tische Untersuchung älterer Geschichtsquellen wesentlich erleichtern und vereinfachen12). Eine gewisse Interesselosigkeit bei seinen Fachgenossen und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderten jedoch die Realisierung dieses weitblickenden Vorschlages. Im Haus-, Hof- und Staatsarchiv ruhten während des Krieges alle photogra­phischen Arbeiten, da der Photograph Lenhard schon im Herbst 1914 zu den Vermißten zählte und Kratochvil sich anderen Aufgaben widmete. Auch nach Kriegsende scheint kein besonderer Bedarf für die Anfertigung von Photo­graphien sowohl für amtliche als auch für private Zwecke bestanden zu ha­ben. So war es naheliegend, daß die Einsparungskommission der Bundesre­gierung im Jahre 1922 hinsichtlich der Maßnahmen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv unter Punkt 5 die sofortige Auflassung des photographischen Ateliers, der Galvanoplastik und der Gipsgießerei verfügen konnte13). Die damalige Archivleitung erhob bezeichnenderweise gerade gegen diese Verfü­gung keinen Einwand. Die vorhandenen Photogeräte wurden am 24. Novem­ber 1922 der Nationalbibliothek überlassen; sie sollten jedoch bei einer all­fälligen Aktivierung der Photowerkstätte dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zurückgegeben werden14). In die geräumten Ateliers am Minoritenplatz zog die 1919 gegründete Bundeslichtbildstelle ein, die vorher im Hause Wallner- straße 4 untergebracht war. Diese Dienststelle übernahm die Verpflichtung, alle in den Archiven anfallenden Photoarbeiten zum Selbstkostenpreis mit 10% Regiekostenzuschlag durchzuführen15). Als selbständiger Wirtschafts­körper (seit 1925) übersiedelte die nunmehrige „österreichische Lichtbild­stelle“ in das Haus Naglergasse 3, sodaß die Räumlichkeiten wenigstens für Archivzwecke wieder verwendet werden konnten16). In der Zwischenkriegszeit sind vor allem auf zwei Gebieten der Phototechnik große Fortschritte erzielt worden, nämlich bei der Konstruktion von Photo­kopiergeräten und bei Kleinfilmkameras. Beide Errungenschaften ermöglich­ten erst Serienaufnahmen in einem größeren Umfang. Bibliotheken und Pa­tentämter benützten diese neuen Apparate früher als Archive. In der Berliner Staatsbibliothek gelangten Ende 1930 neuartige Photokopiergeräte zur Auf­stellung, die Aufnahmen in zwei Formaten für die Benützer binnen weniger Stunden liefern konnten17). Die Zahl der durchgeführten Aufnahmen über­12) MIÖG 32 (1911) 405-407. 13) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Kurrentakten 1218/1922. 14) Ebenda 1602/1922. 15) Ebenda 1263 und 1328/1922. 16) BGBl. Nr. 313/1925; 1940 wurde dieses Unternehmen völlig privatisiert (Licht­bildstelle Alpenland). 17) Zentralblatt für das Bibliothekswesen 48 (1931) 95 und 531.

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