Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger
MECHTLER, Paul: Die Anfänge der Phototechnik im österreichischen Archivwesen
22 Paul Mechtler die Verwendung des strukturlosen Glases und von Kollodium als Träger lichtempfindlicher Schichten bereits einen gewissen Abschluß erreicht. Für eine zweckentsprechende Ausbildung in Paläographie und Diplomatik mußte das Institut für Geschichtsforschung erst einen neuen Lehrapparat aufbauen, da die Verwendung von Originalen für pädagogische Zwecke aus nahehegenden Gründen immer mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. Es war eines der vielen Verdienste des 1856 nach Wien berufenen Professors Theodor Sikkel, die noch relativ junge Errungenschaft der Photographie in den Dienst eines sehr großzügig geplanten Unternehmens gestellt zu haben: Für ein Tafelwerk Monumenta graphica wurden in vielen Archiven der gesamten Monarchie Photographien angefertigt, und die Wiener Staatsdruckerei verwendete diese als direkte Vorlagen für Reproduktionen3). (In Moskau war kurz vorher ein indirektes Verfahren für ein Tafelwerk anläßlich der Einjahrhundertfeier der dortigen Universität angewandt worden.) Der Einsatz der Photographie für wissenschaftliche Zwecke war eine Kampfansage an die meisten Fachgenossen und Kunsthistoriker, die noch viele Jahre später lieber mit Pausen arbeiten wollten. Sickel fand für sein Vorhaben große Unterstützung beim Kultusministerium. Aus persönlichen und sachlichen Gründen (Gefahr der Beschädigung bei den Aufnahmen) gab es bei diesem Unternehmen allerdings Schwierigkeiten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv; erst 1869 erteilte das zuständige Ministerium die Genehmigung für die Anfertigung von Photographien. Die technische Weiterentwicklung im Photowesen erfolgte auf verschiedenen Wegen, wobei sich die Verkleinerung von Schriftstücken - abgesehen von einem großzügigen Versuch - im 19. Jahrhundert noch nicht durchsetzen konnte. Im Jahre 1853 hatte bereits Sir John Herschel den Gedanken geäußert, aus ökonomischen Gründen öffentliche Dokumente in verkleinertem Format aufzunehmen, nachdem schon viel früher in Einzelfällen Zeitungen und Bücher photographiert und sogenannte Miniaturen angefertigt worden waren4). Während des Deutsch-Französischen Krieges entwickelte ein gewisser Da- gron (biographische Daten konnten nicht ermittelt werden) ein besonderes photographisches Verfahren zur Beförderung von möglichst vielen Briefen und Depeschen durch Brieftauben aus der belagerten Stadt Paris. Durch einen mit einer Petroleumlampe arbeitenden Projektionsapparat konnte danach eine rasche Entzifferung der stark verkleinerten Aufnahmen ermöglicht werden. Im Grunde hatte Dagron alle speziellen Methoden der modernen Mikrofilmtechnik vorweggenommen5). Die im gleichen Jahre auf den Markt gekommene Bromsilber-Trockenplatte 3) Alphons Lhotsky Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung (MIÖG Erg. 17, 1954) 55-58. 4) Arpad v. Biehler Handbuch der Photokopie (Halle 1948) 196; Wolfgang Baier Quellendarstellung zur Geschichte der Photographie (Leipzig 1965) 235-236. 5) Dazu unter anderem: Der Archivar 13 (1960) 131-132; Helmut Gernsheim Die Fotographie (Wien - München - Zürich 1971) 144.