Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger
MIKOLETZKY, Lorenz: Archivar und Universität. Am Beispiel Franz Kürschners
252 Lorenz Mikoletzky der Abgeordnete zur Eile: . . wenn Sie auf die Stelle reflectiren wollen, es nicht [!] angemessen wäre, sich schleunigst und ohne allen Aufschub dem k. Finanz Minister vorzustellen, damit nicht Zwischenfälle eintreten“8). Der Angesprochene reagierte auf diese Nachricht genau einen Monat später in einem direkten Brief an den Minister. Er bedauert, sich nicht persönlich vorgestellt zu haben, bringt aber gleichzeitig den Einwand vor: „So sehr ich mich durch den hochgeneigten Antrag geehrt fühle und so gern ich auch bereit bin, meiner wissenschaftlichen Neigung ein pekuniäres Opfer zu bringen, so wäre es mir gleichwohl in Anbetracht verschiedener Umstände nicht möglich, den betreffenden Posten mit dem für die erste Gehaltsstufe normirten Gehalte von 1100 fr [!] zu übernehmen, indem ich hier in Troppau neben meinem Gehalte von 945 fr noch ansehnliche Nebenbezüge genieße, die mir ein Gesamteinkommen von 1400 fr sichern. Dagegen bin ich mit Freuden bereit, die meinem wissenschaftlichen Streben so zusagende Archivsstelle anzutreten, wenn Euer Excellenz geneigt wären, mir neben dem Gehalte von 1100 fr und dem damit verbundenen Quartiergelde von 250 fr bis zur Vorrückung in die höhere Gehaltsstufe von 1300 fr eine Zulage von 300 fr unter irgend einem beliebigen Titel dekretsmäßig zu bewilligen. Ich hege die zuversichtliche Hoffnung, daß Euer Excellenz dieß mein Anerbieten in wohlwollender Berücksichtigung der bestehenden Theuerungsverhältnisse nicht als unbescheiden betrachten werden, und bitte den ehrfurchtsvollen Ausdruck meiner vollkommenen Ehrerbietung und Dienstbeflissenheit zu genehmigen .. ,“9). Diesem Schreiben, das deutlich zeigt, daß der Verfasser wußte, was er wollte, folgte am 12. August 1869 ein offizielles Gesuch, und am 28. August erhielt er die Stelle verliehen, wobei alle seine Wünsche erfüllt wurden10). Zugleich wurde der Adjunkt Anton Neubauer Direktor des mit 1. Jänner 1868 zum Reichs-Finanz-Archiv gewandelten Instituts. Seit dem Abgang Otto Prechtlers im Jahre 1866 war die Direktorsstelle nicht besetzt gewesen. Neubauer war seit 1867 nur „Leiter“ des Archivs11). Vor Ernennung der beiden Herren Neubauer und Kürschner wurde der Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Alfred Ritter von Arneth, um seine Meinung gebeten. Er erklärte, „daß er in der Ernennung des dermaligen Adjunkten Anton Neubauer, welcher genaue Vertrautheit mit den einzelnen Beständen und Detailkenntniß im hohen Maße besitzt, zum Direktor um so weniger einen dem Archivsdienste abträglichen Schritt erblicken würde, als ihm in der That Niemand bekannt sey, dem sonst die Leitung dieses großen 8) HKA Kürschner fol. 89v (Es muß hier wohl heißen: . . es recht angemessen wäre . . .“). 9) Finanzarchiv Wien Reichsfinanzministerium (künftig: FA RFM) 6796/1869 fol. 8f. 10) Vgl. FA RFM 6796/1869 fol. 2f; HKA Kürschner fol. 93; HKA Handschrift 23: Geschichte des k. k. Hofkammer-Archivs von dem Zeitpunkte seiner Entstehung unter Kaiser Maximilian dem ersten bis zum Schlüße des Jahres 1816 von Johann Georg v. Mühlfeld, k. k. Hofkammer Archivar; dann Fortsetzung von Carl v. Hofer, fol. 87r (künftig: HKA Hs. 23). 11) Vgl. HKA Hs. 23 fol. 87r; zu Prechtler vgl. Hanns Leo Mikoletzky Der Dichter und Archivar Otto Prechtler (1813-1881). Zur Problematik der Doppelbegabung in Der Archivar. Mitteilungen für deutsches Archivwesen 26 (1973) Sp. 531—542. - Erlaß über Umbenennung 1867 Dezember 31.