Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531
134 Christiane Thomas den Schluß zu ziehen, er richte damit Schranken für eine willkürliche, nur den eigenen Wünschen dienende Politik Karls auf, wäre überspitzt. Der Anlaß für seine vermittelnde Tätigkeit resultierte vielleicht aus der täglichen Konfrontation mit der politischen Realität, die ihn nüchtern urteilen ließ, daß eine ersprießliche Administration unter den Bedingungen des Erstentwurfs nicht zu erwarten sein würde. Auch persönliche Sympathie mag eine Rolle gespielt haben: Die hier vertretene Haltung gegenüber Ferdinand paßt durchaus zu den Berichten des ferdinandeischen Vertreters am Hof Karls, Salinas, der schon im Oktober 1530 Granvella als einen aufrichtigen und hilfsbereiten Diener des jüngeren Habsburgers kennzeichnet. Diese gute Beziehung gipfelt 1535 in der Absicht Ferdinands, vor einer Erörterung mit Karl Granvella zu konsultieren m). Es wäre übertrieben zu meinen, daß allein der Ratgeber über die Art der Wahrnehmung der „administratio“ urteilte. Ebenso wäre die Annahme zu gewagt, Granvella hätte prinzipiell eine zweite mindernde Instruktion abgelehnt, deren Existenz aber nicht verhindern können. Was hingegen als sicher gelten darf: in seinen Augen war der Sturz Ferdinands von der Höhe des offiziellen Status zur Tiefe des Rohentwurfs zu kraß. Diese Diskrepanz verringert zu haben, ist bestes Zeugnis für seine Überzeugungskraft, der Karl nachgab. So manifestiert sich schon hier der überragende Einfluß, den Granvella bereits sieben Monate nach Gattinaras Tod besaß, und das Ausmaß des Vertrauens, das er bei seinem Herrn genoß und weiterhin genießen sollte. Die eindrucksvollsten Sätze hierüber verdanken wir der Schilderung des venezianischen Gesandten Alvise Mocenigo (1548) * 132 133) —, der moderne Biograph spricht knapp, aber nicht minder einprägsam vom „grenzenlosen“ Vertrauen des Kaisers 13S). VII Die Zurückhaltung, die Ferdinand — abgesehen vom Rückvermerk „mo- deración del poder“ — in seiner Korrespondenz mit dem Bruder beobachtet 134), verbietet, von vornherein zu behaupten, er sei in seiner Hoff1S1) A. Rodriguez Villa (Hg.) El Emperador Carlos V y su corte segun las cartas de Martin de Salinas, embajador del rey Fernando 1522—1539 (Madrid 1903) 510, 684. Das Wohlwollen Granvellas scheint nicht ganz frei von Uneigennützigkeit gewesen zu sein: Im Fall des zweiten Zitats stellt Ferdinand eine Belohnung in Mailand in Aussicht. 132) Fiedler Relationen 168 ff. 133) Karl beteuert seinem Sohn Philipp 1545: „J’en suis convaincu que personne n’entend mieux mes affaires“: D u r m e Perrenot de Granveile 285. 134) FK 54 n. 461/5: „J’ay, Mons., aussi receu le pouoir que m’avez envoyé pour l’administration et gouvernement en l’empire — et en useray suyvant le bon vouloir de Vostred. M. — et le memoire que mond. secretaire avec les autres pieces m’a apporté.“