Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531

132 Christiane Thomas er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, Ferdinand zu wäh­len n9). Sein Argument war selbstverständlich auf den Repräsentanten des Papstes zugeschnitten: Nie würde er zustimmen, da der jüngere Habs­burger gar nicht so kirchlich gesinnt sei, wie er sich zeige 12°). Trotz der ständig wiederholten Beteuerungen des Sachsen, es ginge ihm nur um die Einhaltung der Goldenen Bulle, hat der Gesandte der Serenissima wohl richtig gesehen, daß den Fürsten, also auch Johann, der Stellvertreter ein­fach zu nah war. Mußte der Kurfürst nicht auch jeden Gedanken an ein eventuelles Reichsvikariat zu Lebzeiten, bei allzu langer Abwesenheit des Kaisers, aufgeben? Aussagen über Ferdinands Charakter bezeugen, daß er lebhaft, von größ­tem Eifer getrieben, alles kennenlernen wolle und nie Agenden abtre­te m). Jahre später heißt es weniger schmeichelhaft, er versuche, sich überall einzumischen und nichts aus der Hand zu geben * 121 122). Intelligenz, ja durchdringender Intellekt werden ihm nicht abgesprochen, doch fälle er im Gegensatz zu Karl schneller Entscheidungen 123). Wiederholt wird sein Ehrgeiz erwähnt, der ihn dränge, seine Herrschaft zu vergrößern 124). Ob dies nur aus seinem Eifer für alle Staatsangelegenheiten gefolgert wird, ist nicht abzuschätzen. Wenn diese Beobachtungen von italienischer Seite denen eines größeren, im Reich tonangebenden Kreises entsprachen, dann besteht kein Zweifel, daß den Fürsten die Vorstellung unbehaglich war, dem Druck eines energischen, vorwärtsdrängenden, ständig im Reich weilenden Königs ausgesetzt zu sein —, ganz abgesehen von der Festi­gung der habsburgischen Machtbasis 12S). Die Gründe Karls, trotz der offensichtlich mißgünstigen Stimmung unter den höheren Reichsständen seinem Bruder eine fest verankerte Stellung im Reich, wie sie die ostensible Vollmacht dokumentiert, zu verschaffen, mögen vielfältig gewesen sein. Sie wurzeln einmal im Persönlichen — Ferdinands Drängen und Karls Versprechen, die Königswahl zu betrei­119) Der Erzbischof hatte sich 1529 zugunsten Bayerns verpflichtet: P ö 1- n i t z Fugger und die Königswahl 322. !2o) Müller Nuntiaturberichte 96; ohne Namensnennung spielt auch Tiepo­lo auf dieses Dictum an: Albéri Relazioni 1/1 105. 121) Fiedler Relationen 2; Albéri Relazioni 1/199. 122) Ebenda 456 f (zu 1548). 1*3) Ebenda 456, 99; Fiedler Relationen 3. 121) Ebenda; Albéri Relazioni 1/1 130. 125) Es ist im Nachhinein für den Historiker leicht, solche Befürchtungen mit einem abwertenden Urteil über Ferdinands Fähigkeiten zu bagatellisieren. Siehe z. B. Bohdan Chudoba Spain and the Empire 1519—1643 (The Univer­sity of Chicago Press 1952) 71; Martti Salomies Die Pläne Kaiser Karls V. für eine Reichsreform mit Hilfe eines allgemeinen Bundes (Annales Academiae Scientiarum Fennicae B 83/1, Helsinki 1953) 74; Stephen A. Fischer-Gal a- t i Ottoman Imperialism and German Protestantism 1521—1555 {Harvard Histo­rical Monographs 43, Harvard University Press, Cambridge/Mass. 1959) 12.

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