Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert

42 Max Weltin für die gesamte Herrschaft ebenfalls nachgewiesen werden konnte. Nimmt man also die zwei Rasten von den Grenzen der Herrschaft = „civitas“ gemessen an, dann wird man ohne weiteres vollberechtigte Marktorte finden 224) und braucht keine Scheinlösungen mit Hilfe zu­rechtgebogener Begriffe suchen. Mitterauers axiomatische Forschungs­weise, von späteren rechtlichen Gegebenheiten auf frühere zu schließen, um so in quellenärmerer Zeit „räumliche Ordnungen“ erkennen zu kön­nen, erweist sich bei der von ihm praktizierten Oberflächlichkeit als recht problematisch. Das gleiche gilt für seine Analogieschlüsse und seinen Hang, Quellen, die seinen Annahmen widersprechen, nicht zur Kenntnis zu neh­men. Ein Beispiel dafür ist, wie Mitterauer den für seine Konstruktionen unbequemen Artikel 1 des Stadtrechtes von 1287 einfach eliminiert. Dieser Artikel besagt nämlich: „Primo quod nullus iudex provincialis infra ter­minos hofmarchie in casu quocumque vel causa iudicium sibi vendicet seu iudicare presumat, causis sangwinis que mortem continent tumtaxat exceptis, que si emerserint ad easdem iudicandas per iudicem civitatis ip­sius qui pro tempore fuerit preco provincialis, qui vulgo waltpot dicitur, est vocandus“ 225). Für Mitterauer ist die „civitas“ bekanntlich das (durch den Burgfrieden begrenzte) Stadtgebiet, die „hofmarchia“ aber die Herrschaft. So gesehen könnte man den Artikel nur insoferne deuten, daß der herrschaftliche Landrichter den Burgfrieden der Stadt nicht betreten dürfe, der Stadt­richter von Steyr hätte dann aber die Blutfälle an den Waltboten des herrschaftlichen Landgerichtes auszuliefern. Eine solche Interpretation schwebt den Herausgebern des Städtebuches vor, die dabei aber gezwun­genermaßen annehmen, mit „hofmarchia“ sei der städtische Burgfrieden gemeint 226). Mitterauer, der zur selben Lösung kommt, stört der Ter­minus „hofmarchia“, denn, sollte seine Annahme stimmen, müßte es „civitas“ heißen. Er erklärt diesen Widerspruch einfach mit einem Ver­sehen des Schreibers 227). Nun liegt das Steyrer Stadtrecht im Original 224) Die Rast mit 6,75 km gerechnet; vgl. K1 e b e 1 Rechts- und Verfassungs­geschichte 24 f. 225) Wie Anm. 217. 226) österreichisches Städtebuch. Die Städte Oberösterreichs hg. von Alfred Hoffmann (Wien 1968) 286: „1287 August 23 wurde in Bestätigung der Freiheiten der Stadt Steyr durch Albrecht I. der städtische Burgfried (Hofmarchia) vom Landgericht der Herrschaft eximiert, die Blutgerichtsbarkeit oblag jedoch zu­nächst noch weiterhin dem Landrichter der Herrschaft (preco provincialis, walt­pot).“ 227) Mitterauer Zollfreiheit 257 Anm. 119a: „Zur Erstreckung der Hof- mark Steyr Dopsch, Urbare, S. 247 ff und 255 ff. Aus den Eintragungen der lan­desfürstlichen Urbare ergibt sich auch eindeutig die Identität der Hofmark und Herrschaft Steyr. Die Verwendung des Terminus , Hof mark“ im 1. Artikel des Privilegs für Steyr von 1287 über die Landgerichtsexemption weicht freilich von dem sonst durchgehend üblichen Wortgebrauch ab, was wohl durch einen Irrtum des Schreibers erklärt werden kann“.

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