Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

REISINGER-SCHWIND, Roswitha: Lothringen zur Zeit Franz Stephans. Nach französischen Quellen

Lothringen zur Zeit Franz Stephans 259 Franz-Stephan, der hoffte, noch vor seiner Abreise eine definitive Zu­sage vom Kaiser zu erhalten, sandte zunächst Baron Pfütschner, seinen Vertrauten und Lehrer, nach Lothringen. Dieser war einigermaßen betre­ten über die Aspekte, die sich ihm boten, und nach einem Besuch bei Masson im Gefängnis und Nachforschungen in den Papieren des verstor­benen Herzogs schrieb er an Franz-Stephan: „A la fin je suis parvenu á envoyer bien du papier ä V. A. R. d’oü Elle ne tirera pas grande consolation. Elle verra qu’outre les dettes tant exigibles qu’inexigibles qui montent au delä de 9 000 000 [livres], il y a une privation de plus de la moitié de ses revenus pour l’année courrante et celle d’ensuite ce qui peut encore etre regardé comme dette ou paiement assigné pour dettes montant encore ä 5 000 000 [livres] ä peu pres ..ls). Ein Aufruf an alle Gläubiger Leopolds, ihre Ansprüche anzumelden, ergab weitere Schulden des Herzogs. Ein geheimes Register wurde gefun­den, in dem neuerlich Ausgaben für die Familie Craon verzeichnet wa­ren, drei Landgüter und der Bau von Häusern für die Mitgift dreier Töchter und die Kosten der Kavaliersreisen für zwei Söhne 16). Der Verbleib der gesamten fehlenden Summe konnte nie geklärt wer­den, aber Masson wurde im Mai 1730 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Herzogin und ihr Berater Le Begue bemühten sich, der Katastrophe Herr zu werden, wobei sie gelegentlich weiter gingen, als der Herzog für wünschenswert hielt17). II „Der jetzige Herzog (Franz-Stephan) redet gut teutsch, auch diese Sprache lieber als die französische. Er ist von mittelmäßiger Statur und trägt anjetzt seine eigene gekrauste Haare, die von Schwarz-brauner Farbe sind ... Es ist zu vermuthen, daß der Herzog noch einer von den größten Regenten in Europa seyn werde, was so wohl die Macht als Regierung anlanget. Die Klug­heit und vorsichtige Aufführung, welche er bey seinen jungen Jahren in allen Gelegenheiten an den Tag legt, ist nicht genug zu rühmen. ... Seine Kleidung ist ohne Pracht und gäntzlich von der französischen Mode entfernet. ... Die bey grossen und zugleich jungen Herren gar rare Tugend der Keuschheit ist bey ihm in solchem Grade, daß man ihn noch niemals wegen einer Maitresse in Verdacht gezogen hat. Er höret seine Ministros, läst sich aber von keinem re­gieren“ 18). Kritischer als der deutsche Reisende Keyssler äußert sich d’Audiffret über seinen ersten Eindruck bei der Rückkehr des jungen Herzogs: „La beauté du visage est beaucoup flétrie et son humeur bien differente. II est devenu fort sérieux de vif et enjoué qu’il était avant que d’aller ä Vienne. is) ADMM Vienne 3 F 26 fol. 18. i«) AAE FL 120 fol. 114. 17) AAE FL 121 fol. 56. Franz-Stephan machte die Kürzungen und Strei­chungen der Pensionen teilweise rückgängig, unter anderem im Fall des Architekten Boffrand: ADMM Vienne 3 F 298 fol. 11. iS) Johann Georg Keyssler Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen (Hannover 1751) 1326 f. 17*

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