Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

BLAAS, Richard: Metternich, Mazzini und die Gründung der Giovine Italia

Metternich, Mazzini und die Gründung der Giovine Italia 609 haftungen34), wenn nach dem Buchstaben des Gesetzes vorgegangen würde, „so zahlreich werden, daß ein dumpfer Schrecken sich unzähliger beteiligter Familien bemächtigen und das ganze Land in Trauer und Unruhe versetzen würde“35 36). Staatskanzler und Polizeichef waren der einhelligen Meinung, daß die Geheiminstruktion auch auf die Giovine Ita­lia anzuwenden sei mit der Einschränkung, daß nicht nur gegen alle Mili­tärpersonen, sondern auch gegen alle Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes vorgegangen werden solle, soferne sie sich gegen die Verordnung vom 21. Juli 1833 vergangen hätten. Das eigentliche Betätigungsfeld der Giovine Italia war zunächst nicht das österreichische Italien, sondern die italienischen Staaten, Frankreich, Schweiz und Deutschland. Die außenpolitischen Maßnahmen des Wiener Kabinettes gegen Mazzini und seinen Geheimbund sind im Zusammen­hang mit der Julirevolution zu beurteilen und bilden natürlich nur einen Teilaspekt der komplizierten diplomatischen Schachzüge Metternichs zur Eindämmung der von Frankreich ausstrahlenden demokratischen und revolutionären Infektion. Hier soll nur insoferne darauf eingegangen werden, als die Giovine Italia und Mazzini unmittelbar davon betroffen waren. Das erklärte Ziel Mazzinis war die Schaffung einer ganz Europa um­spannenden revolutionären Untergrundbewegung. Die große Emigration von 1831 war der dafür geeignete Vermittler. Aus den Elementen der nationalrevolutionären Kräfte versuchte Mazzini sein ,Junges Europa1 aufzubauen, dem sich namentlich ein aus deutschen Handwerksgesellen 1834 in der Schweiz gebildetes .Junges Deutschland“ anschloß3e). In 34) Über die Prozesse gegen die etwa 600 wegen Teilnahme an der Giovine Italia von den österr. Behörden Verhafteten vgl. Eaulich Storia del risorgi­mento 2, 192 ff. 35) Informationsbüro Polizeikorrespondenz 4, Note der PHSt an die StK 1833 November 25: „Bei Anwendung der ganzen Strenge des Gesetzes würde ih­rer Individualität nach oft unbedeutenden Personen von ihren Mitschuldigen ein höherer Werth, als sie verdienen, beigelegt, sohin dieselben als politische Märtyrer gepriesen und daß der hie und da glimmende Haß gegen die Regie­rung, besonders bei den oft schuldlosen Familien, aus deren Mitte ein solches zur Secten-Teilnahme verführtes Individuum dem Arme der Gerechtigkeit verfällt, zur hellen Flamme angefacht, ja sogar vielleicht neue Proselyten zur Rache hervorgerufen werden könnten“. 36) Ernst Rudolf Huber Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 2 (Stutt­gart 1960) 132: „In der Schweiz rief Mazzini am 15. April 1834 die Völker zum Beitritt zu der Organisation ,Junges Europa“ auf. Landsmannschaftliche Ver­bindungen nach der Art des ,Jungen Italien“ sollten sich in einer umfassenden republikanischen Gesamtorganisation vereinigen. Jedes Volk sollte sein Volks­tum selbständig entfalten, sich zugleich aber in diesem höheren Verband mit den übrigen Völkern zur gemeinsamen Verteidigung der Freiheit zusammen­schließen. Die radikalen unter den deutschen Emigranten in der Schweiz folg­ten Mazzinis Ruf, indem sie mit dem Geheimbund .Junges Deutschland“ dem europäischen Gesamtverband beitraten“. Mitteilungen, Band 25 39

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