Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky
BLAAS, Richard: Metternich, Mazzini und die Gründung der Giovine Italia
602 Richard Blaas Mit dieser Religion der Freiheit hat Mazzini den großen Bund der Giovine Italia erfüllt, den er 1831 begründete und den er 1834 zum Bund des ,Jungen Europa' erweiterte, der eine Konföderation aller demokratischen, liberalen Kräfte Europas, eine Art Internationale der europäischen fortschrittlichen Jugend, bilden sollte17). Auch die Organisation Mazzinis ist ein Geheimbund ähnlich der Carbonaria, aber ohne mysteriöse Initiationsriten, ohne hierarchische Weihegrade und ohne geheimnisvolle Symbolik. Die Giovine Italia nahm nur Mitglieder auf, die nach der Jahrhundertwende geboren waren, auf keinen Fall aber das 40. Lebensjahr überschritten haben durften. Der Geheimbund ist seinem Wesen nach republikanisch und unitaristisch ausgerichtet, weil alle Menschen berufen sind, frei, gleich und brüderlich zu sein und das allein in der Republik verwirklichen können; sie ist unitaristisch, weil allein die Einheit dem italienischen Volk die Kraft verschaffen kann, sich gegen die mächtigen Nachbarn zu behaupten. Die Italiener müssen sich endgültig klar darüber sein, „di non calcolare negli aiuti stranieri, di non aver fede che in noi“18). Hier klingt bereits sehr deutlich vernehmbar die als Integrationsimpuls so wichtige Forderung des „l’I talia fará da se“ an. Die Befreiung setzt die Beendigung der Fremdherrschaft voraus. In der antiösterreichischen Erbfeindschaft findet Mazzini den Teufel als Widerpart seiner Gottheit19), seiner Religion der Freiheit und des Nationalismus. „Erinnert Euch“, ruft Mazzini seinen Anhängern zu, „daß dieses Vaterland eine Sklavin ist, eine Sklavin des Fremdlings; daß die österreichischen Bajonette zwischen den Pflanzen der lombardischen Ebenen hervorblitzen“ 20). Dieser affektbeladenen und mit religiösem Fanatismus verkündeten Verteufelung Österreichs steht die Anmaßung der kaiserlichen Regierung gegenüber, die Vorherrschaft auf der Apenninenhalbinsel nicht nur kraft Carlsruhe verhafteten Mitgliedes des deutschen Sühnungsbundes“ gefunden. Dieser im April 1833 geschriebene Brief, in dem die Idee des „Jungen Europa“ entwickelt wurde, ist von Metternich im Mai allen deutschen Höfen mitgeteilt worden, um darzutun, daß die Mitglieder der Giovine Italia auch bereits mit den deutschen Revolutionären Kontakt aufgenommen hatten. 17) Eugen Lennhoff Politische Geheimbünde (neu bearbeitet v. Werner Gebühr, München—Wien 1968) 107: „Die in der Schweiz verfaßte und proklamierte ,Verbrüderungsakte' vom 15. April 1834, in deutscher, polnischer und italienischer Sprache veröffentlicht, gipfelte in dem alten Kampfruf der franzö- sichen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. 18) Mastellone Mazzini 2, 289. 10) Claus Gatterer Erbfeindschaft. Italien—Österreich. Europäische Perspektiven (Wien—München—Zürich 1972) 10: „Der Triestiner Scipio Slataper hat die antiösterreichische Erbfeindschaft als verkappte Integrationsreligion definiert: ,Seit den Tagen Mazzinis ist Österreich der Gegenpol unserer Seele, der Teufel unserer Gottheit' “. 20) Schack Joseph Mazzini 164.