Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

RILL, Gerhard: Humanismus und Diplomatie. Zur Geschichte des Gesandtenwesens unter Ferdinand I.

Humanismus und Diplomatie 573 keit sehr ungleiche Potenzen. Im Gegensatz zu dem zunehmenden Einfluß, den Ferdinand in Fragen der Reichsregierung gewann, blieb seine selb­ständige Diplomatie auf die Beziehungen zum Osten — und dies nicht ohne Einschränkungen — reduziert. Der Kongreß von Bologna 1529/30 brachte ihm nicht nur sachlichen Mißerfolg in seinen italienischen Plänen, sondern in formaler Hinsicht auch die tiefsten Demütigungen von Seite Karls 29). In den Augen eines italienischen Beobachters lebte er noch 1542 ,wie die Wachtel unter dem Sperber“30), und es gibt Nachrichten über die Tyrannisierung der Agenten Ferdinands durch die Vertreter des Kaisers bis zum Ende der 40er Jahre 31). Gemeinsam war den Brüdern rücksichts­lose Härte gegenüber fremden Diplomaten; an dem Gesandtenmord von Pavia 1541 war Ferdinand moralisch mitschuldig32). Dem entsprachen, zumindest in den ersten Jahren, Nachlässigkeit und Unwissenheit in praktischen Fragen der Diplomatie: Dokumente, die von den Gesandten dringend benötigt wurden, gingen verloren, Vollmachten wurden nicht oder in unzureichender Form ausgestellt. Eine ganze Liste grober Fehler hielt 1526 dem Erzherzog der erfahrene Diplomat Sigmund von Herber­stein vor, was nicht verhinderte, daß der Gesandte fünf Jahre später aus ähnlichen Gründen zum Gespött des polnischen Hofes wurde33). Wenn sich dennoch seit den 20er Jahren zaghaft ein System diplomatischer Ver­tretungen durch Gesandte und Agenten (nicht nur im Sinne von Kund­schaftern) bildete, dann geschah dies keineswegs auf Initiative des Regen­ten, sondern — ähnlich wie in Polen 34) — trotz seiner lauen Haltung. Fragen wir nach den wesentlichen Agenden, die die Diplomatie dieses Zeitalters zu bewältigen hatte, so verbleiben nach Abzug jener Posten, 29) Berichte Burgos vom Dezember 1529 ebenda 2 a fol. 33—36, 40—42. so) Nuntiaturberichte aus Deutschland 1/7, bearb. von Ludwig Cardauns (Berlin 1912) 294. si) Z. B. die Klagen des Agenten in Venedig, Domingo de Gaztelu, 1548 Juli 3 in: HHStA Venedig Berichte 2 (1548—49) fol. 6—7. 32) Vgl. Cardauns Von Nizza bis Crépy 124 ff, 133. Bezüglich Rincones schreibt Ferdinand an Karl 1541 März 6: „J’ay entendu, Mons., le passaige du Rincon en France et mesmes qu’il s’est faict conduire avec gens arméz doubtant estre rencontré, dönt je suis marry qu’il est eschappé, caril a long- temps qu’il deust estre noyé ou pendu ...“: HHStA Hs. Bl. 597/1 pag. 463. 33) Bemerkungen Herbersteins zu seiner Instruktion, 1525 Dezember 27 Buda, in Aktenstücke zu Sigmund’s Freiherrn von Herberstein zweiter Mission nach Rußland 1525—1526, hg. von Joseph Fiedler in Slavische Bibliothek 2 (Wien 1858) 69—72; tw. verwertet von Berthold Picard Das Gesandtschafts­wesen Ostmitteleuropas in der frühen Neuzeit (Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 6, 1967) 44. — Bericht Herbersteins 1531 Juni 22 in: HHStA Polonica 2 (1531) fol. 114—117. 34) E. Zivi er Neuere Geschichte Polens 1 (Gotha 1915) 266; Roman Zelewski Organizacja koronnej sluzby dyplomatycznej za Zygmunta Augu­sta in Polska sluzba dyplomatyczna XVI—XVIII wieku (Warszawa 1966) 81 ff.

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