Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25. (1972) - Festschrift für Hanns Leo Mikoletzky

DIRNBERGER, Franz: Paul Kornfelds Tragödie „Himmel und Hölle“ als Opfer der Zensur

Paul Kornfelds Tragödie „Himmel und Hölle“ als Opfer der Zensur 431 den als verzeihlich hingestellt werden, kann mein sittl. Empfinden keineswegs verletzen, denn ohne den Glauben, daß mir meine Sünden, wenn ich sie bereut bekenne, verziehen werden, wäre mir das Leben keinen Tag mehr erträglich. Daß mancher irre Mensch vergebens gegen die Gewalt seiner Leidenschaften ankämpfend, im Entsetzen über die Schwäche der erbsündigen Natur sich da­mit ausreden will, sie sei von Gott gewollt, ist natürlich falsch — Gott will die Freiheit des menschlichen Willens, Gott läßt uns wählen zw. Gut und Böse, die Wahl ist das Thema des irdischen Lebens. Aber Menschen mit der falschen Ausflucht, Gott habe, weil er den Sündenfall zuließ, ihn gewollt, darzustellen, ist so gut das Recht des Dichters, als Ehebrecher, Mörder oder Diebe darzustellen: daß ein Mensch schuldig wird, darin allein besteht doch, was wir das Tragische nennen ... Der innere Bundesministerialästhet scheint aber dann selbst zu fühlen, daß es endlich Zeit wäre, auch ein Argument vor­zubringen und richtig erwischt er eins, nämlich: ,Bei der heutigen leichten Erregbarkeit weiter Kreise der Bevölkerung und der gesteigerten Neigung zu ordnungswidriger Geltendmachung der Empfindungen ist daher mit Grund zu befürchten, daß im Falle der Aufführung Kundgebungen ausgelöst würden, wel­che sich als Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung darstellen würden. Das BM. f. I. sieht sich daher veranlaßt, die Aufführung des obbezeichneten Bühnenwerkes zu untersagen1... Man darf ruhig behaupten, daß mit diesem Erlaß das BM. d. I. geradezu für die ganze Justiz des Abendlandes ein Ei des Kolumbus gelegt hat: man verfolgt künftig nicht mehr den Verbrecher und das Verbrechen, sondern verbietet alles, woran vielleicht ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt werden könnte. Um ein für allemal jeden Theater­skandal zu verhüten, gibt es sicherlich ein besseres Mittel als alle Stücke zu verbieten, und wenn erst alle anständigen Menschen hinter Schloß und Riegel sitzen, ist ihre Sicherheit verbürgt. So sieht die Zensur in Österreich aus, seit sie abgeschafft worden ist.“ So leicht wie Bahr meint, hat es sich das Ministerium doch nicht ge­macht. Nach einer ausführlichen Inhaltsangabe ist über die Tendenz des Stückes im Amtsakt doch mehr verzeichnet, als im Erlaß ausgeführt er­scheint. Diese Tendenz, heißt es, „kann an sich nicht als moralisch bezeichnet werden, da ja endliche Ver­klärung der mit den schwersten moralischen Makeln behafteten Hauptper­sonen eine Entschuldigung ihrer Laster in sich schließt. Die Art, in welcher durch den Mund des vorgenannten Jacob die Proteste der Menschheit gegen die Gottheit vorgebracht werden, und die Ausdrücke, die hiebei gebraucht wer­den, arten im I. Akt 1. Sz. geradezu in das religiöse Gefühl beleidigende Gotteslästerungen aus. Auch nehmen im übrigen Dialog Hindeutungen auf Beziehungen grobsinnlicher Art einen ziemlich breiten Raum ein und die hiebei gebrauchten Wendungen sind vielfach nicht nur derb-realistisch, sondern ge­radezu abstoßend, gemein. ... Ob und wie weit die der Sprache des Stückes innewohnende dichterische Schönheit im Vereine mit der Kraft der dramati­schen Darstellung imstande sein würden, den Beschauer zur reinen Erfassung der komplizierten zum Vorwurf gekommenen Probleme des Seelenlebens fort­zureißen und über das Gräßliche der sich abspielenden Szenen und aller sich aufdrängenden gemeinen Nebengedanken zu erheben, ist eine hier nicht zu erörternde Frage der künstlerisch-kritischen Würdigung des Stückes. Es erscheint aber eher zu befürchten, daß ein großer Teil der Zuhörer das Hervorkehren gemeiner, unmoralischer und verbrecherischer Eigenschaften stärker empfinden wird, als die in der Schilderung und Darstellung zum Aus­druck gelangende dichterische und künstlerische Leistung. Es ist daher bei den

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