Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

SCHMID, Georg E.: Die Coolidge-Mission in Österreich 1919. Zur Österreichpolitik der USA während der Pariser Friedenskonferenz

442 Georg E. Schmid die „arguments with considerable length“ vorgetragen worden seien31). Die wichtigsten Punkte, mit denen Coolidge später immer wieder kon­frontiert werden sollte, finden sich bereits in diesem ersten Bericht, etwa daß dem neuen Österreich nur eine Donauföderation oder der Anschluß offenstünden, da eine unabhängige Existenz ausgeschlossen sei. Coolidge wies aber auch bereits darauf hin, daß sich die Österreicher darüber klar zu sein schienen, daß ihnen im Falle eines Anschlusses an Deutschland durch Frankreich eine noch härtere Behandlung zuteil werden würde 32). In einem Telegramm de Vaux’ aus Bern hieß es, Coolidge erscheine sehr gebildet und über die Verhältnisse orientiert33), was allerdings auch den Schluß zuließe, daß sich Coolidge in den Gesprächen mit Österreichern besonders mitfühlend gezeigt hatte. In bezug auf Coolidges subjektives Verhältnis zu seiner Mission res­pektive zu Österreich im allgemeinen ist man primär auf die Interpreta­tion seiner Briefe angewiesen, da sich selbst seine eigenen wissenschaft­lichen Werke als wenig hilfreich für eine Analyse seiner Einstellung er­weisen 34). Bereits als junger Mann hatte er die Donaumonarchie kennen­gelernt, aber die Tatsache, daß er Österreich-Ungarn nicht als Weltmacht sondern lediglich als europäische ansah, läßt keine weiteren Rückschlüsse zu. 1908 hatte er in seinem Buch The United States as a World Power geschrieben: „Even Austria and Italy do not come under the new category [der Welt­mächte] : they are both great European powers in every sense of the term, and as such hold a proud position; but in spite of ... their glories and high civilization, they have little political influence outside of their own conti­nent“ 35). Im gleichen Werk erschöpfte sich seine Aussage über das Verhältnis der USA zu Österreich-Ungarn in den lakonischen Worten: „With Austria- Hungary the United States has never had much to do“ 36), eine zwar im Grunde richtige, aber letztlich auch nichtssagende Feststellung, die ja paradoxerweise nicht einmal durch die Kriegslage seit Ende 1917 modi­fiziert werden mußte, da sich das Engagement der USA praktisch aus­schließlich gegen Deutschland richtete. An anderer Stelle wandte sich Coolidge allerdings sehr subtil gegen jene, die den Abgang der Habs­burgermonarchie von der politischen Bühne durchaus positiv bewerteten, da im alten Reich zu viele Fehler gemacht worden wären: „The faults and weaknesses of the Austro-Hungarian state have, in recent 31) Ebenda. 32) Ebenda. 33) Telegramm von Baron de Vaux (Bern) an das Staatsamt des Äußeren in Wien, 1918 Dezember 30: HHStA NP A 365. 34) Bzgl. seiner wissenschaftlichen Werke vgl. Anm. 15. 33) Archibald Cary Coolidge The United States as World Power (New York 21923) 7. 3«) Ebenda 224.

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