Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HEINDL, Waltraud: Die Wiener Nuntiatur und die Bischofsernennungen und Bischofsenthebungen in Ungarn 1848–1850

416 Waltraud Heindl Kriegsgericht. Der Bischof von Fogaras, Johann Leményi, wurde von der österreichischen Militärbehörde „ab officio et beneficio“ suspendiert und wartete ebenfalls auf ein kriegsgerichtliches Urteil. Besonders hart ver­fuhr man jedoch mit Ladislaus Bémer, dem römisch-katholischen Bischof von Großwardein, der schließlich in einem militärgerichtlichen Verfahren zum Tode verurteilt wurde. Im Grund hatte man ihm kein größeres Delikt vorzuwerfen, als an den Sitzungen des vom König aufgelösten ungari­schen Parlaments teilgenommen und den Freiheitskampf unterstützt zu haben15). — Den griechisch-katholischen Bischöfen von Eperies, Josef Gaganez, und Munkács, Basilius Popovics, drohte ebenfalls eine kriegs­gerichtliche Untersuchung 16). Im übrigen wurden alle Priester, die im Freiheitskampf mitgefochten oder denselben unterstützt hatten, in das österreichische Heer eingezogen oder in den Kerker geworfen. — Die offi­ziellen Beschuldigungen, die Wien gegen die rebellischen Oberhirten erhob, waren nebulös: Die Bischöfe hätten sich in irgendeiner Weise an der Revolution aktiv beteiligt oder — nach der Meinung Wiens — zumin­dest Sympathien für die Revolutionäre gezeigt. Ein gravierendes Vergehen sah man in der Teilnahme an den Parlamentssitzungen der Revolutions­regierung. Man zog die Bischöfe zur Rechenschaft, weil sie das Volk zum nationalen Kampf auf gerufen oder der Kossuthpartei materielle Hilfe geleistet hatten. Der erwähnte Hirtenbrief vom Oktober 1848 und die Adresse des Episkopats an den König galten als erschwerendes Delikt17). Mit den Urteilssprüchen über die Bischöfe aber hatte die Militärregie­rung eindeutig ihre Kompetenzen mehrfach überschritten. Viale-Prelá stand der ungarischen Revolution feindlich und der ungarischen Kirche bekanntlich reserviert gegenüber 18). Dementsprechend beurteilte er ange­sichts der Schwierigkeiten, denen sich die kaiserliche Regierung in Ungarn konfrontiert sah, die Maßnahmen Wiens äußerst milde 19). Sämt­liche Übergriffe aber, die er aus Gründen der Humanität nicht mehr entschuldigen konnte, lastete er dem FZM Haynau, dem kaiserlichen Kommissär in Ungarn, an. Viale-Prelá gab zu: eine Militärregierung sei naturgemäß bereits hart, diejenige in Ungarn werde aber noch „durch den persönlichen Charakter des protestantischen Baron Haynau ver­schärft“ 20), der noch dazu heftige Aversionen gegen die katholische Kir­15) Adriányi Ungarische Kirche und österreichisches Konkordat 23 f und Eckhardt A püspöki székek 29 f. i«) VA NdiV 322: Viale-Prelá an Antonelli, 1849 Dezember 29 Nr. 259. ii) Siehe Anm. 15 und Wiener Zeitung v. 1. August 1849 (Anm. 14). 18) Siehe S. 412 f und 414 f. i») VA NdiV 322: Viale-Prelä an Antonelli, 1849 August 4 Nr. 206, August 31 Nr. 213 und Oktober 8 Nr. 238. In diesem letzten Bericht nimmt der Pronun­tius zum Arader Blutgericht Stellung und meint, Österreich habe geglaubt, mit diesem Akt ein Exempel statuieren zu müssen. 20) VA NdiV 322: Viale-Prelá an Antonelli, 1849 September 11 Nr. 219 (eigene Übersetzung).

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