Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

MIKOLETZKY, Lorenz: Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II

318 Lorenz Mikoletzky Bei Joseph II. blieb es nicht nur bei der Strafandrohung in diesen Fällen, der Zweck der genauen Publizierung seiner Wünsche war darauf gerichtet, jedermann die Möglichkeit zu nehmen, mit der Ausrede, von nichts zu wissen, anders zu handeln und so die gleiche Behandlung jedes Grundes zu verhindern. In einem Punkt muten die Wünsche des Kaisers vielleicht merkwürdig an: Er ermuntert seine Untertanen zur Anzeige, sollte jemand bemerken, daß sein Nachbar etwas von seinen Schuldigkeiten verschweigt. Auch eine ganze Gemeinde könne einer Nachbargemeinde gegenüber so handeln. Die Anzeiger sollen auch belohnt werden, indem sie das Bußgeld erhalten, das der Angegebene zu zahlen hat. Wenn alle Grundbesitzer ihre Ausmessung richtig angeben, so ver­mindert sich die auf die ganze Gemeinde anfallende Zahlungssumme. Wer sollte nun die Überprüfung vornehmen und wie sollte sich die Kommission zusammensetzen? Hauptverantwortlicher wurde die Hof­kanzlei; aber in jedem Land mußte eine obere Kommission, bestehend aus einem Gubernialrat, einem Ökonom, einem Buchhalter und einem Landesingenieur, dem wieder Unteringenieure (deren Zahl von der Größe des Gebietes abhing) beizuordnen waren, gebildet werden. Dieser oberen Kommission sollte eine Grundrevidierungskommission untergeordnet wer­den, die aus einem Kreiskommissar, einem Angehörigen der Buchhalterei und so vielen Landmessern, als nur aufzutreiben waren, zu bestehen hat­te. Die Arbeit der beiden Kommissionen sollte in ihrem Kreis parallel verlaufen, jedoch in der Form, daß die obere im Lande herumreisend die Arbeit der unteren zu revidieren hatte. Die untere wieder ging syste­matisch von Gemeinde zu Gemeinde und revidierte dort den Grund. (Unter einer Gemeinde wird jener Komplex verstanden, der unter einem Richter steht.) Nach der Gemeindeeinteilung waren auch die Fassionen einzu­reichen. Darin hatte alles angegeben zu sein, was einen Ertrag aus der Erde gibt (getreu dem Satz: „... der Boden ... ist die einzige Quelle aus der alles kömmt ...“), so nicht nur die Wiesen und Wälder, auch Steinbrüche, Teiche, Sandgruben u. a. Wegzulassen waren nur die voll­kommen unbrauchbaren Grundstrecken: steile Felsen, Gebirge, unaus- trockenbare Moräste. Jede Gemeinde, der das Eintreffen einer solchen Prüfungskommission gemeldet wurde, hatte aber auch ihrerseits Vorbe­reitungen zu treffen: die Grenzen und ausspringenden Winkel mit Stroh­wischen abzustecken; anhängige Prozesse über Grundstreitigkeiten waren auszusetzen und der momentane Stand als Grundlage für die Überprü­fung zu nehmen. Jede Herrschaft hatte auch eine Meßlatte anzuschaffen, und die öden und unbrauchbaren Gründe waren vor Ankunft der Ingenieure auszumessen, so daß diese nur mehr Stichproben zu machen hatten. Vorzubereiten war auch die Vermessung der Waldungen und Wein­gärten. Dann begann die eigentliche Arbeit der Kommissionen: Jeder einzelne Grund einer Gemeinde sollte unter der Aufsicht der Richter und der Geschworenen fatiert, das heißt deklariert und vermessen werden, je­

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