Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

MIKOLETZKY, Lorenz: Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II

Der Versuch einer Steuer- u. Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II. 315 Meinung: nur bei reichen Bauern können Land und König reich werden 12 *). In dem erwähnten Handbillett an Kolowrat schreibt Joseph: „Ich theile Ihnen, nebst Zurückstellung dieses das Steuer-Urbarium- und Robotwesen in Galizien betreffenden Vortrags annoch in der weiteren Neben­lage diejenigen Grundsätze mit, welche Ich für die einzig ächten, und ange­messenen in dem Steuer- und überhaupt in dem Belegungsgeschäfte halte. Nach diesen werden Sie in einer eigenen Zusammentretung die in dem gegen­wärtigen Vortrage einkommenden Vorschläge dergestalt modifizieren, daß hieraus alles, was diesen meinen Grundsätzen entgegenstreitend befunden würde, schlechterdings hinweg bleibe, und da gleichwohl deren Innhalt viel­leicht in der Ausführung nicht gleich nach allen seinen Theilen vollkommen anwendbar gemacht werden könnte, so wird das dießfällige Operatum der niederzusetzenden Commission auf einen zweyfachen Gegenstand gerichtet wer­den müssen: wie nämmlich einerseits gleich für dermalen ein Interimale, wel­ches zu dem, nach diesen Grundsätzen abgemessenen Systeme stufenweise führte, und schon von nun an vorbereitete, herzustellen, und was andererseits, um in einer ununterbrochenen Progression zu diesem Endzweck fortzuschreiten (da Ich zugleich entschlossen bin, in allen meinen übrigen Erblanden den Steuerfuß nach eben diesen Grundsätzen abzuändern) nach und nach zur bald möglichsten Ausführung des Systems in seiner Gänze vorzukehren käme. Die Wichtigkeit sowohl, als die Weitläufigkeit dieses Geschäftes wird Sie, wenn Sie auf den für den Staat hieraus entspringenden vielfältigen Nutzen sehen, von selbst an die Nothwendigkeit erinnern hiebei die reifste Uiberlegung, und den thunlichsten Eifer zu verwenden, um den Zeitpunkt der vollkommenen Zustandebringung so wenig als nur möglich, hinauszusetzen“ ls). In diesem Schreiben, dem die uns ausschließlich beschäftigenden Grundsätze beigefügt sind, fällt der Ton („... was diesen meinen Grund­sätzen entgegenstreitend befunden würde, schlechterdings hinweg blei­be ...“) und die Hast („... um den Zeitpunkt der vollkommenen Zu­standebringung so wenig als nur immer möglich, hinauszusetzen .. auf und es kommt sehr gut zum Ausdruck, daß der Kaiser kein Phantast war: Er kannte die Bedeutung des großen Werks, das er begann, sehr gut, als er diese Zeilen schrieb. Die erwähnten Grundsätze, mit gleichem Handbillett an Kolowrat gelangt, zeigen den Gedankengang des Kaisers etwas genauer. Es soll Schluß gemacht werden mit Gebräuchen, die seit hundert Jahren be­stehen. Auch alle überkommenen Vorurteile sollen abgelegt werden. Weiters vertritt Joseph die Ansicht, die ihm sicher viele Feinde einge­bracht hat: daß zwischen Dominikai- und Rustikal- sowie Kammeral- und geistlichem Grunde vollkommene Gleichheit herrsche und „jeder nur nach der Oberfläche, Fruchtbarkeit, und Lage, in die proporzionirte Klassifikazion gesetzt werden müsse. Wenn Gesetze, und Verfassungen diesen entgegenstehen, so können sie doch die Wahrheit und Uiberzeu­12) Adam Wolf — Hans von Zwiedineck-Südenhorst Öster­reich unter Maria Theresia, Josef II. und Leopold II. 1740—92 (Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, Berlin 1884) 274. is) HKA Hs. 275 fol. 1 f.

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