Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

MIKOLETZKY, Lorenz: Der Versuch einer Steuer- und Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II

Der Versuch einer Steuer- u. Urbarialregulierung unter Kaiser Joseph II. 311 solchen Zeit des Niederganges und der Ausbeutung erschien nicht unvor­bereitet und noch nicht alles endgültig lösend für den Bauernstand ein Retter in der Not: Joseph II. Er sollte durch sein Steuer- und Urbarial- patent den Grundstein zur Befreiung der Bauern legen. Wenn die Steuer- und Urbarialregulierung Kaiser Josephs II. be­trachtet werden soll, so hat man eine Reformbestrebung vor Augen, die von Anfang an durch Überhastung zum Scheitern verurteilt war, hätte der Tod den Kaiser auch später ereilt. Der Wunsch, den bäuerlichen Untertanen eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen, war von denen, die es betraf, begrüßt worden, der Adel aber, dessen Rechte dadurch be­schnitten wurden, opponierte dagegen. Und als am 20. Februar 1790 der Kaiser stirbt, gehen zwei Wellen durch die Lande, die eine ist die der Erleichterung, die zweite die der Verzweiflung, werden doch die Refor­men zum großen Teil sofort rückgängig gemacht, mit Begründungen, die von der Notwendigkeit ihrer Aufhebung und der Rückkehr zu den alten Zuständen überzeugen wollen. Das Patent der Aufhebung der Urbarial­regulierung beginnt mit der Versicherung, daß Kaiser Joseph selbst sein System aufgehoben hätte, „wenn alle widrigen Folgen desselben durch die Erfahrung damals schon so bestättiget gewesen wären, als sie gegen­wärtig vor Augen liegen.“ Und weiter heißt es: „Fürs erste ist die durch die neue Steuer- und Urbarialregulirung abgezielte Hauptabsicht der Beförderung des Wohlstandes deren Unterthanen nicht erreicht wor­den“ * 2). Die wenigen Erfolge, die sich trotz der überhasteten Ausführung gezeigt hatten, gaben einer nicht eruierbaren Schicht von Menschen den Auftrieb, noch im Jahre 1790 ein Büchlein unter dem Titel Klagen der Unterthanen der O''' M. an die Repräsentanten des Volkes wegen Auf­hebung des neuen Steuersistems und Wiedereinführung des alten herauszugeben, aber auch dieser Jammerruf eines zwar aus der Leib­eigenschaft befreiten Volkes, aber doch noch nicht freien Menschen­schlages verhallte ungehört, und es sollte noch ein halbes Jahrhundert vergehen, bis Hans Kudlich, ein Bauernsohn aus Österreichisch-Schlesien, am 26. Juli 1848 den Antrag auf Aufhebung des bäuerlichen Untertänig­keitsverhältnisses und der bäuerlichen Lasten (Robot und Zehent) stellte, der am 7. September desselben Jahres Gesetz wurde. Und nicht zuletzt hat Graf Anton Alexander Auersperg, ein Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und des österreichischen Reichsrates, unter dem Pseudonym Anastasius Grün, zwar das System Metternich bekämpfend, in seinem Gedicht Salonszene die Situation des Volkes anklingen lassen, zu dem der Bauer ja auch gehört, wenn dieses Volk Österreichs vor der Bestrebungen der oberösterreichischen Bauern von 1650 bis 1848 (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 8, Linz 1963) 10 f. 2) Roman Rozdolski Die große Steuer- und Agrarreform Josefs II. Ein Kapitel zur österreichischen Wirtschaftsgeschichte (Warszawa 1961) 163.

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