Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenistischen Bewegung in Wien 305 aneinandergeriet. Wittola zählt in einem Artikel in seiner Kirchenzeitung, in dem er sich über Migazzis Wandlung bekümmert Gedanken macht, die Opfer in einer langen Liste mit Initialen auf: „Die v. St(ock), d. T(erme), G(azzaniga), R(uschitzka), B(larer), W(ittola), K(arl), Ro(salino), S(imen), die beiden M(ayer), H(offmann), St(öger), Gi(ftschütz), Sch(anza), L(auber), die beiden Sp(endou), A(ltinger), D(omfort), P(erger oder Pultzer), Su(ter) galten mit allen andern guten Priestern nichts mehr“ 108). Seine Abnei­gung gegen den neuen Geist gab Migazzi auch darin kund, daß er sich demonstrativ an den früher wenig geschätzten Manifestationen des Barockkatholizismus beteiligte. Ganz verleugnen konnte er allerdings seine Vergangenheit nicht; gelegentlich erschien eine Verordnung im Geiste der früheren, und noch 1782 ließ er den Hirtenbrief Trautsons von 1752 nachdrucken109). Aber das waren Ausnahmen, im übrigen er­schöpfte sich Migazzis Tätigkeit seit seiner Bekehrung vorwiegend in der Negation des herrschenden Systems. Sozusagen ununterbrochen verfaßte er Eingaben, Vorhaltungen und Proteste gegen die staatlichen Erlasse und Maßnahmen im Kirchenwesen, gegen seiner Ansicht nach verderb­liche Bücher und Zeitschriften, gegen ihm mißliebige Personen, kurz gegen alles, was nur irgendwie mit dem verhaßten „Josephinismus“ zu­sammenhing. Oft hat es den Anschein, der Kardinal bekämpfte selbst die einleuchtendsten Änderungen nur deswegen, weil sie neu waren. Die Maßnahmen, die er dagegen ergriff, zeugen zum Teil von ausgesproche­ner Borniertheit110). Selbst ein mit dem Nuntius Garampi eng befreun­deter Mann, Abate Ramaggini (allerdings auch ein Anhänger der „sana dottrina“), fällt ein wenig schmeichelhaftes Urteil über Migazzi. Er habe ihn schon immer eher für einen Dumm- („sciocco“), als für einen Schlau­kopf („politico“) gehalten, schreibt er 1782 Garampi. Er bedauert den Klerus, der durch einen solchen Bischof in Mißkredit komme, und meint, Migazzi würde sich am besten nach Waitzen zurückziehen m). Es ist hier nicht der Platz und es wäre auch noch zu verfrüht, ein endgültiges Urteil über Migazzis Wirksamkeit zu fällen. Daß er zur Reihe der aufgeklärten „philojansenistischen“ Reformbischöfe in Österreich gehörte, und zwar zu den bedeutenderen unter ihnen, dürfte nicht mehr zu bestreiten sein. Seine verschiedenen neuen Maßnahmen als Oberhirte 108) wienerische Kirchenzeitung 6 (1789) 759 f. Ergänzungen z. T. nach dem Protocolum Alumnorum. io«) Ebenda 1 (1784) 26. no) wittola schreibt an einer Stelle, der Erzbischof habe 1783 die Priester der Domkirche angewiesen, die Messe möglichst schnell zu lesen, damit das Volk mit den deutschen Liedern, die man damals eingeführt hatte, nicht folgen könne (RA Utrecht Fonds PR 2583, 1783 Juli 11). — Reiches Material über den Kampf Migazzis gegen den „Josephinismus“ enthalten nebst Wolfsgruber die Nouvelles Ecclésiastiques, namentlich seit 1776, als de Terme die Bericht­erstattung übernahm. ui) ASV Fondo Garampi 284, 1782 Mai 26. Mitteilungen, Band 24 20

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