Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenistischen Bewegung in Wien 299 Kardinal scheine jetzt der Gesellschaft Jesu gewogener zu sein; es wurden auch seine Verdienste beim Versuch, Febronius zu unterdrücken, er­wähnt84). Im März schrieb der Hofbeichtvater Anton Gürtler, damals offizieller Korrespondent der Nouvelles Ecclésiastiques in Wien, nach Utrecht, Kerens habe Migazzi zum Jesuitismus bekehrt 85). Zwei Wochen darauf berichtete auch de Haen, der Kardinal zähle jetzt zu den Freunden der Jesuiten8Sa). Im Sommer kam es bereits zu Zusammenstößen zwi­schen Migazzi und den Alumnen. Der Priester Joseph Lauber hatte die im Seminar gelernten rigoristischen Grundsätze in die Praxis umzusetzen versucht und hartnäckigen Sündern bei der Beichte die Absolution ver­weigert oder verschoben, bis sie Zeichen der Besserung zeigten84 85 86). Der Jesuit Ignaz Parhamer denunzierte deswegen Lauber beim Kardinal. Die­ser bestimmte zwei neutrale Prüfer, die Lauber rechtfertigten, Par­hamer aber sogar mit Sätzen jesuitischer Theologen widerlegen konnten. Um solchen Angriffen in Zukunft zuvorzukommen und die Sache ein für allemal zu klären, beschlossen die Lehrer des Seminars, den Alumnus Franz de Paula Schwarzenbach eine Dissertation über die Ver­weigerung und Verschiebung der Absolution öffentlich verteidigen zu lassen87). Der Kandidat war in jeder Hinsicht erfolgreich; Migazzi, der nach langen Bemühungen die Veranstaltung mit seinem Besuch beehrte, suchte ihn darauf mit einem Einwurf, der nicht zu den disputierten The­sen gehörte, zu verwirren. Als man ihn widerlegte, schwieg er und be­endete die Disputation, indem er sich zum Gehen wandte. Im September 1768 schließlich konnte de Haen nach Utrecht schreiben, der Erzbischof habe einen probabilistischen Beichtvater berufen 88 *). Was hatte Migazzi letzten Endes veranlaßt, seinen früheren Grund­sätzen zu entsagen? Im Bericht über das Priesterseminar in den Nouvelles Ecclésiastiques heißt es, der Kardinal habe im Jahre 1767 eine Reise nach Böhmen unternommen, dort habe er den Jesuiten das Gut Kottowin abgekauftm). Der Kaufpreis war, wie de Terme später berichtete, 200 000 fl.90). Der Berichterstatter fragt sich, wie Migazzi diese Summe bezahlt habe. Im Publikum habe man darüber viele Spekulationen an­gestellt. Sicher aber sei gewesen, daß Migazzi von dieser Reise als ein ganz anderer Mensch zurückgekommen sei. Er habe begonnen, die Jesuiten zu loben, zum großen Erstaunen aller, die ihn von früher her 84) ASV NG 388 fol. 45—46, 62—64, Berichte von 1768 Jänner 2 und 21. 85) RA Utrecht Fonds PR 2256, 1768 März 27. 85a) Ebenda Fonds OBC 828, 1768 April 9. 88) Nouvelles Ecclésiastiques 41 (1768) 131. 87) Ebenda 56 (1783) 130. 88) RA Utrecht Fonds OBC 828, 1768 September 24. so) Nouvelles Ecclésiastiques 56 (1783) 130. so) RA Utrecht Fonds PR 2544, 1780 Juli 27.

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