Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenistischen Bewegung in Wien 297 den74). Wittola schrieb später in seinen Neuesten Beiträgen, Migazzi hätte als Gegenleistung für die von Rom gewährte Dispens seiner Pfrün­denkumulation — seit 1761 war er in seinem früheren Bistum Waitzen wiederum Administrator — das Verbot des Febronius für Österreich er­reichen sollen75). Diese Deutung vermag nicht ganz zu überzeugen, da ja seit dieser Angelegenheit schon zwei Jahre verflossen waren. Indessen dürfte zweifellos die Kurie Migazzis Verhalten bei dieser oder jener Gelegenheit honoriert haben. In den Nouvelles Ecclésiastiques heißt es dann, daß Migazzi um dieselbe Zeit in dem 1763 unvermittelt gestorbe­nen Bischof Thun seinen geistigen Führer und Ratgeber verloren habe. Seit dieser Zeit hätte ihn sein Seminar nicht mehr so interessiert, er sei nur noch selten dort erschienen und man hätte ihn nicht mehr die Bücher von Port-Royal empfehlen hören, überdies hätte er sich mit Jesuiten an­gefreundet 76). Appolis setzt Migazzis Wandlung in das Jahr 1763, Winter nennt 1764 als entscheidendes Jahr 77). Beide Daten sind, wie eben gezeigt, nicht un­begründet, beziehen sich aber vor allem auf die kirchenrechtlichen Vor­stellungen Migazzis und sein Verhältnis zur Kurie. Die früher ange­führten Zeugnisse von Migazzis reformerischer Tätigkeit fallen zum größten Teil in die ersten vier Jahre seiner Regierung in Wien. Nach 1761 bemerkt man schon eine spürbare Abnahme des Reformeifers und vollends nach 1764 lassen sich nur noch vereinzelt Maßnahmen im Sinne der früher getroffenen feststellen. Für den Herausgeber der Oester- reichischen Biedermannschronik ist Migazzi 1765 „für die gute Sache moralisch verstorben“78). Dennoch fällt der endgültige Übergang Mi­gazzis zur antiaufklärerischen Reaktion, auch in seinen theologischen An­schauungen, mit größter Wahrscheinlichkeit erst in das auch sonst für die Geschichte des „Josephinismus“ bedeutsame Jahr 1767, wie Quellen jansenistischer und römischer Provenienz zeigen. Die Jahre 1764 bis 1767 waren in gewisser Hinsicht noch eine Periode des Schwankens. Im Jahre 1723 hatte sich in den Niederlanden die jansenistische sog. „Kleine Kirche von Utrecht“ als Abspaltung von Rom gebildet. In die schon bald aufgenommenen Bestrebungen, die beiden Kirchen wieder zu vereinen, schaltete sich Ende 1766 auch ein in Wien lebendes Mitglied der Utrechter Kirche, der aus Den Haag stammende Arzt und Professor Anton de Haen, ein79). Er suchte vorerst durch Zusendung von Doku­7i) Nouvelles Ecclésiastiques 47 (1774) 43 f; Neueste Beiträge 1 (1790) 919. 75) Neueste Beiträge 1 (1790) 918. 76) Nouvelles Ecclésiastiques 56 (1783) 129. 77) Appolis Entre Jansénistes et Zelanti 498; Winter Josefinismus 39. 78) (Johann Rautenstrauch) Oesterreichische Biedermannschronik (Freiheitsburg 1784) 257. 78) Gabriel Dupac de Bellegarde Histoire abrégée de VEglise Métro- politaine d'Utrecht (Utrecht 31852); Frits Carel de Vries Vredespogingen

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