Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

288 Peter Hersche Ermahnung Migazzis, keine Jesuiten zu lesen, gar nicht mehr bedurft hätte. Der Erzbischof zog den jungen Theologen zu verschiedenen Ar­beiten heran, u. a. zu allerdings nie gedruckten Übersetzungen französi­scher Jansenisten ins Deutsche. Nur ungern ließ er ihn nach seiner Promotion zum Doktor der Theologie (1760) wieder in seine schlesische Heimat ziehen. Durch Migazzis Empfehlung erhielt Wittola später die Pfarrei Schörfling in Oberösterreich38). Wittola war Migazzi zeitlebens für die Anregungen dankbar, die ihm dieser in seiner Jugendzeit gegeben hatte. Das erklärt wohl auch die auffallende Zurückhaltung, mit der der später durch seine scharfe Zunge berüchtigte und kaum jemanden scho­nende Publizist den Erzbischof in seinen Periodica und Flugschriften be­handelte, und dies zu einer Zeit, in der dieser schon längst zum größten Feind der Jansenisten geworden war. Noch 1786 rühmt er den Bischof als Reformer und verlangt in einer Flugschrift gegen Patrizius Fast von ihm, daß er gegen diesen einschreite 39). Mehrmals berichtet er Gutes über den Oberhirten, so etwa bei Gelegenheit einer Visitationsreise; muß er aber etwas über den Kardinal mitteilen, das er nicht billigen kann, so geschieht es kommentarlos, ohne jede Kritik oder gar Verurteilung40). Migazzis Haltung nach seiner Bekehrung war für Wittola, wie man zwi­schen den Zeilen lesen kann, eher ein Anlaß, ihn zu bedauern, als ihn anzuklagen und zu verurteilen. Von den später bekanntgewordenen österreichischen Jansenisten hat auch Melchior Blarer Migazzi entscheidende Anregungen zu verdanken, wie seine spätere Rechtfertigungsschrift für den Kardinal belegt 41). Eben­so dürfte die dritte wichtige Figur unter den späteren radikalen Janseni­sten, Johann Baptist de Terme, in seinen ersten Wiener Jahren von Migazzi gefördert worden sein42). Alle drei — Wittola, Blarer und de Terme — waren etwa zur selben Zeit wie Migazzi in die Kaiserstadt gekommen; unter der zielbewußten Leitung Stocks und dem wohlwollen­den Protektorat des Erzbischofs bildeten sie den vermutlich ersten mili­tanten Jansenistenkreis in Österreich. Er vergrößerte sich bald. Aus Italien schlossen sich Stocks Mitarbeiter Giovanni Giuseppe Ramaggini und die neuen Universitätsprofessoren an. Aus Böhmen kam Anton Gürtler, ein bekehrter Jesuitenschüler wie Wittola und Blarer. Auf Empfehlung des Erzbischofs ernannte ihn Kaiserin Maria Theresia 1760 38) Wienerische Kirchenzeitung 5 (1788) 23. 3») Ebenda 3 (1786) 8; Die Sendung des Patrizius Fast ... (Wien 1783) 35. 40) Vgl. z. B. Wienerische Kirchenzeitung 1 (1784) 26, 60, 68 ff; 2 (1785) 244 ff; 3 (1786) Register (unter „Migazzi“); 5 (1788) 470. — Wittola war Heraus­geber der Wienerischen Kirchenzeitung und schrieb einen großen Teil der Zei­tung selbst. 41) Vgl. Anm. 17. Noch größer war allerdings Stocks Einfluß auf Blarer. 42) Es sei hier auf die in Vorbereitung befindliche Monographie über de Terme von Théo T h o 11 hingewiesen.

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