Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)

HERSCHE, Peter: Erzbischof Migazzi und die Anfänge der jansenitischen Bewegung in Wien

286 Peter Hersche der Jesuiten Hardouin und Berruyer29). Das damals in Wien bekannt­gewordene Werk war ebenfalls ein rotes Tuch für die Jansenisten. Wenige Zeit nach diesem Vorfall holte der Erzbischof zum entscheidenden Schlag aus. Auf Antrag der Studienhofkommission, deren Vorsitzender Migazzi war, wurde durch Hofdekret vom 10. September 1759 die Lehre des Pro- babilismus an allen österreichischen Universitäten verboten; nur noch eine gemilderte Form, der sog. Probabiliorismus, wurde gestattet. Darüber, daß Migazzi der Spiritus rector dieses Dekrets war, herrschte schon da­mals kein Zweifel, die Jansenisten aber erinnerten sich noch zur Zeit Josephs II. dankbar daran 30). Migazzi aber wußte, daß sich mit solchen bloß repressiven Maßnahmen noch kein besserer Klerus heranbilden ließ. Das Hofdekret, das eine Reform des theologischen Studiums an den Universitäten einleiten sollte, erhielt denn auch noch weitere wichtige Be­stimmungen 31). Durch eine wurden die bisherigen Direktoren der theo­logischen und philosophischen Fakultät der Universität Wien, die Jesui­tenpatres Debiel und Frantz, entlassen, und an deren Stelle die beiden Domherren Ambros Simon Stock für die theologische und Johann Peter Simen für die philosophische Fakultät ernannt. Ferner sollte in Zukunft an allen Universitäten der Monarchie die dogmatische Theologie nicht nur nach der Lehre der Jesuiten, sondern auch nach den Grundsätzen der augustinischen und thomistischen Schule vorgetragen werden und hiezu jeweils zwei neue Lehrkanzeln errichtet werden32). Schließlich sollten in Zukunft auch Weltpriester für das akademische Lehramt be­rufen werden können. Durch dieses Reformdekret zog sich Migazzi selbst­verständlich den Haß der in ihrem Ansehen schwer getroffenen Sozietät zu; es konnte dabei nicht vermieden werden, daß man auch in Rom auf die Sache aufmerksam wurde. Migazzi mußte sich Nuntius Crivelli gegen­über für die getroffenen Maßnahmen verantworten. Er wies auf den Verfall des theologischen Studiums unter den Jesuiten hin, behauptete aber auch, die Jesuiten hätten die Absetzung der beiden Direktoren und 29) Isaac Josephe Berruyer Histoire du peuple de Dieu, troisieme partié, ou paraphrase des épitres des apótres d’aprés le commentaire latin du P. Hardouin (1757). Wie die schon früher erschienenen Teile von Berruyers Werk wurde auch dieser letzte indiziert. so) II corriere zoppo o sia Mercurio storico e politico ... per il mese di ottobre 1759 (Lugano 1759) 737 ff; Nouvelles Ecclésiastiques 56 (1783) 129; Wienerische Kirchenzeitung 1 (1784) 119; Wolfsgruber Migazzi 292 f. 31) Hermann Zschokke Die theologischen Studien und Anstalten der Katholischen Kirche in Österreich (Wien-Leipzig 1894) 27 f; Anton Wappler Geschichte der Theologischen Fakultät der k. k. Universität zu Wien (Wien 1884); Eduard Winter Der Josefinismus (Berlin 21962) 39. 32) Eigentlich handelte es sich dabei nur um eine Wiederbelebung bereits bestehender Lehrkanzeln, die unter der Herrschaft der Jesuiten nicht mehr besetzt, bzw. durch Lehrkanzeln mit einem anderen Lehrauftrag ersetzt worden waren.

Next

/
Oldalképek
Tartalom