Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 24. (1971)
GASSER, Peter: Triestiner Handel vor 1790. „Corpo Mercantile“, die Anfänge der Handelsbörse und die Opposition Fiumes
Triestiner Handel vor 1790 253 Händlern der Stadt zu bilden wäre. Dieser hätte dann seine Tätigkeit unter Ausschließung aller übrigen „börsen- oder nichtbörsenmäßigen“ Kaufleute zu entfalten 13). Dieser Vorschlag wurde von Zinzendorf abgelehnt, der die richtige Lösung vielmehr in der Übertragung der Börseleitung an vier ständig auszutauschende Deputierte erblickte, die durch eine Wahl zunächst ermittelt werden sollten. Nach Ablauf eines jeden Jahres wären zwei davon, durch das Los bestimmt, abzulösen und durch zwei neu hinzugewählte Deputierte zu ergänzen. Eine Wiederwahl der einzelnen Deputierten war erst nach Ablauf einer sechsjährigen Frist vorgesehen. Durch ein solches Verfahren bliebe, wie der Gouverneur versicherte, das Kontinuitätsprinzip in der nunmehr auf einer breiteren Basis gestellten und auf das ständige Heranziehen neuer Kräfte angewiesenen Börseleitung gewahrt. Die Deputierten und nur diese allein hätten über die laufenden merkantilen Fragen zu beraten und dem Gouverneur darüber regelmäßige Berichte zu erstatten. Zur Erörterung allgemeiner und lebenswichtiger Probleme war die Einberufung einer Großversammlung unter Hinzuziehung aller Kaufleute vorgesehen. Während Israeliten niemals zu Deputierten gewählt werden sollten, wollte Graf Zinzendorf den Griechen und Levantinern dieses Recht einräumen, soferne sie auf den Genuß der ihnen auf Grund des Passarowitzer Handelsvertrages vom Jahre 1718 zugebilligten niedrigen Einfuhrzölle verzichten würden. Die in dem Berichte vom 16. April 1779 entworfenen Reformpläne beruhten nicht zuletzt auf Erfahrungen, die Zinzendorf aus dem Studium ähnlicher Institutionen in Marseille, Ancona und Venedig gewonnen hatte. In Marseille besteht die Commerzienkammer, so schildert der Gouverneur, aus vier „Echevins“ (Vorstehern) und zwölf Deputierten. Die ersteren führen den Vorsitz und „bleiben nur zwey Jahr im Amt, doch so dass immer zwey neue sich mit zwey alten im Amte finden“. Die zwölf Deputierten verwalten ihr Amt sechs Jahre. Alle Donnerstage versammelt sich die Commerzienkammer im Rathaus, „sie stirbt nie ab, da die zwey neuen Echevins von den zwey alten den nothwendigen Unterricht bekommen können“ l3). In Ancona erwählt einem Breve Papst Clemens VIII. vom 8. März 1594 zu Folge die „Universitä di Mercanti“ alle Jahre aus ihrer Mitte drei Vertreter, die „Consoli Governatori“ genannt werden und in ihrer Person auch die erste Instanz des See-Consulates bzw. Wechselgerichtes verkörpern. Einer unter den drei consoli heißt der „Preposto ... und stellt den Vorsteher der Versammlungen vor, und dieser Versitz wechselt alle drey Monat zwischen den drey Consoli ab“ 14). Diese Verfassung der „Universitä di Mercanti“ wurde in dem Breve Papst Clemens XII. vom 14. Februar 1732, mit dem Ancona zum Porto franco erklärt wurde, bestätigt und bekräftigt. Zu Venedig werden „alle Jahr“ zwei Kaufleute zu „Capi di Piazza“ ernannt, denen die Schlichtung kleinerer Streitfälle unter den Händlern und das Vorbringen von Beschwerden der Kaufmannschaft an die „cinque savi della mer- canzia“ obliege. Wenn auch Zinzendorf für eine radikale Einschränkung der offiziellen Sitzungen an der Börse eintrat, so bedauerte er hingegen sehr das Fehlen einer Börse „in jenem Sinne, wie dieses Wort in anderen Handelstädten verstanden und angenommen wird, nehmlich eines bequemen Platzes, wo die Kaufleut 13) Ebenda fol. 301 v, 302: aus dem Bericht Zinzendorfs vom 16. April 1779. 14) Ebenda.