Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

310 Anton Staudinger Vaugoin stellte in seinem Schreiben an Schober vom 25. Juli 1930 60 61) nochmals die Entwicklung der ganzen Affäre dar, daß Schober keines der gegebenen Versprechen gehalten und er dadurch der Sozialdemokrati­schen Partei ermöglicht hätte, „aus der Verteidigung ... zum Angrif­fe“ überzugehen. Und gerade deswegen müßte er, Vaugoin, die Kon­sequenzen daraus ziehen und seinen Austritt aus der Regierung Schober erklären. Nach diesem aus eigener Initiative gesetzten Schritt wandte sich Vaugoin sofort brieflich81) an Seipel um Rat, welche Taktik nun anzuwenden wäre. Seipel, der zwar „gewünscht“ hatte, mit der Demission „bis zum Herbst“ zuzuwarten, bestärkte nun aber Vaugoin, gegen Schober alleine vorzugehen und zwar unter Betonung von Schobers hinhaltender Behandlung des Bundesbahnproblems Vaugoin gegenüber und unter Zurückstellung der Personenfrage durch Vaugoin 62). Im übrigen erwar­tete Seipel, daß Schober nach einem Ausweg suchen und die Demission nicht annehmen werde. Wohl aber rechnete Seipel Schmitz gegenüber mit einer Bereinigung der Lage in der Weise, daß Vaugoin in nächster Zeit eine neue Regierung bilden könnte 63 64). Schober konnte Bundesminister Schuster dazu veranlassenfl4), Vau­goin zu beschwören, die Demission „nach objektiver Prüfung der ganzen Sachlage“ zurückzunehmen, da Strafelia allen fachlichen und politischen Bedenken zum Trotz ohnehin zum Präsidenten der Bundesbahnverwal­tungskommission bestellt würde, sobald das Mandat Banhans’ Ende September abgelaufen wäre. Außerdem sei ja Strafella schon zum Mit­glied der Verwaltungsorganisation ernannt worden65). In Berücksichti­gung der Ratschläge Seipels aber lehnte Vaugoin diesen Lösungsvor­schlag von Minister Schuster ab, da er ausschließlich mit Schober selbst verhandeln wolle66) und sich durch dessen Haltung weiterhin außer­stande sehe, seine Demission zurückzuziehen. Entgegen Seipels Meinung, Schober solle nicht von der Christlich­sozialen Partei gestürzt werden, sondern sich selbst verbrauchen 67), und entgegen der öffentlichen Meinung betrieb Vaugoin den Sturz Schobers mit Hilfe der Kandidatur Strafellas. Am ersten Tag des Prozesses Strafelia kontra Arbeiterzeitung am 17. September 1930 hatte Vaugoin 80) Schober-Archiv Karton 99. 61) Der Text dieses Briefes ist nicht bekannt, wohl aber die ausführliche Antwort Seipels an Vaugoin vom 28. Juli 1930: Nachlaß Vaugoin, Fotokopie im Institut für Zeitgeschichte Wien; im Wortlaut ist dieser Brief wiedergegeben in Staudinger Vaugoin 201 ff. 62) Ebenda. 63) Brief Seipel an Schmitz vom 29. Juli 1930: Braun Schmitz 188. 64) Brief Schuster an Vaugoin vom 29. Juli 1930: Schob er-Archiv Karton 99; im Wortlaut in Staudinger Vaugoin 204 ff. 65) Vgl. Reichspost und Arbeiter-Zeitung vom 30. Juli 1930. 66) Brief Vaugoin an Schober vom 30. Juli 1930: Schob er-Archiv Karton 99. 97) Laut Notiz Schmitz vom 2. September 1930: Braun Schmitz 189.

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