Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

304 Anton Staudinger sozialen Partei repräsentierend — schien die Opposition der Sozialdemo­kratischen Partei in so großem Maße zu stärken, daß anfangs 1930 Ver­mutungen über daraus resultierende vorzeitige Nationalratswahlen laut wurden 11). Als nun Seipel am 11. April 1930 für die Öffentlichkeit völlig über­raschend um den Rücktritt von der Bundesobmannstelle der Christlich­sozialen Partei ersuchte12), und nach dem einstimmigen Entschluß der Bundesparteileitung vom 23. April13), Seipel zur Rücknahme seines Rücktrittsgesuches zu bewegen, dieser bei seinem Entschluß blieb, wurde auf einstimmigen Vorschlag der christlichsozialen Bundesparteileitung vom 8. Mai am 9. Mai 1930 Vaugoin als „geradezu Prädestinierter“ 14) zum neuen Parteiobmann gewählt15 *) und damit Vaugoins prononciert antisozialdemokratische Politik in der Partei institutionalisiert. Mit Hilfe der Heimwehren „dem Austromarxismus einen empfindli­chen Schlag zu versetzen“, war nach eigenen Worten Vaugoins politi­sches ZielIn zahlreichen Zuschriften sind dementsprechende Hoff­nungen formuliert, die auf den neuen Parteiobmann Vaugoin gesetzt wur­den: „. . . brenne ich wirklich auf den Augenblick, wo von Deiner Seite der Ruf an mich ergehen wird, in den vordersten Reihen kämpfen zu dürfen“ 17); — jetzt sei es „sicher, daß nun endlich doch einmal ein ande­rer Zug in das ganze Parteiwesen kommt“ 18); — der bisherige Weg sei richtig, „unser armes Volk braucht Männer, die es führen, die frei von allerlei Hemmungen, Bedenken und Schwanken das als richtig Erkannte auch wirklich durchführen“ 19); — und „darum halte ich so zu Ihnen, weil Sie zu den Männern gehören, die dazu berufen erscheinen, Öster­reich seinem großen Ziele entgegenzuführen“ 20); etc. Von Vaugoin erhofften sich viele Christlichsoziale aber auch eine Erneuerung der Partei, da sich Seipel von der Parteiarbeit mehr und mehr zurückgezogen hatte21), überdies das „Organisationsleben“ nicht 11) Neue Freie Presse 5. Februar 1930. 12) Reichspost 12. April 1930. ia) Reichspost 24. April 1930. 14) Emmerich C z e r m a k Aufzeichnungen über die Auflösung der Christ­lichsozialen Partei, maschinschriftliches Manuskript im Funder-Archiv (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien). 15) Reichspost 9. und 10. Mai 1930. i«) Reichspost 11. Mai 1930. 17) Brief A. Stumpf an Vaugoin vom 14. Mai 1930: Nachlaß Vaugoin (im Besitz von Hans Vaugoin, 1070 Wien) Fasz. 4. 18) Ebenda, Brief R. Jungbauer, Präses der katholischen Männervereine der Erzdiözese Wien, an Vaugoin vom 10. Mai 1930. 19) Ebenda, Brief Nationalrat Dr. A. Hryntschak an Vaugoin vom 10. Mai 1930. 2») Ebenda, Brief der Fürstin Fanny Starhemberg an Vaugoin vom 8. Mai 1930. 2i) Kunschak Österreich 104 ff. — Siehe auch Braun Schmitz 144 ff.

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