Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
OBERMANN, Karl: Unveröffentlichte Schriftstücke Metternichs vom Sommer 1845 über deutsche Angelegenheiten
Unveröffentlichte Schriftstücke Metternichs vom Sommer 1845 395 dem Gewichte dieser Betrachtung zu überzeugen. In ihrem dermaligen Zustande zerstört die Presse nicht allein das gesetzlich und historisch Bestehende, sondern sie ruft statt desselben neue Gestaltungen in das Leben, denen nicht nur die Grundlagen, um dieses Leben zu pflegen, mangeln, sondern welche in Folge ihrer lösenden und ätzenden Natur jeder Lösung widerstreben. Man täusche sich nicht über die Gefahren, welche die Presse für Deuschland, im Vergleich mit anderen Ländern, bietet.“ Metternich hielt es nie für notwendig, auf den Inhalt der bürgerlichen Bestrebungen und Forderungen einzugehen; diese zu verurteilen und zu verwerfen und das Bestehende zu sichern, galt ihm als Gewissens- und Glaubensgrundsatz. So hielt er das von Preußen geschaffene „Oberste Censur-Collegium“ zwar als ein Mittel, „die Presse im Zaune zu halten“, beanstandete jedoch, daß sich dieses Gremium auf eine „Motivierung seiner Aussprüche“ einlasse, also gewissermaßen mit der Presse diskutiere, anstatt strikt zu verurteilen. Er sagt: „Ein Oberstes Censur-Collegium, — es sei aus was immer für Individualitäten zusammengesetzt, — kann nur eine rein moralische Behörde sein; und als solche paßt auf sie der alleinige Vergleich mit einer Jury. Die Aussprüche solcher Körper — der Jury’s wie der Censur-Collegien — dürfen, ja sie können nur in dem einfachen Wortlaute ,guilty* oder ,not guilty* — hier ,damnetur* oder .imprimatur* — gefällt werden; denn sie sind Gewissens-Gefühls- Aussprüche, welche sich, eben weil sie dies sind, nicht vor den Parteien motivieren lassen, und deren Motivierung der Ausgangspunkt einer um so endloseren Kontroverse sein müßte, als über den Ausspruche des Gewissens kein Richter auf Erden steht!“ Diese „Impressionen“ dem „königlichen Cabinete“ in Berlin mitzuteilen, wird im letzten Absatz der „Instruktion“ als Aufgabe der Reise des Freiherrn von Werner bezeichnet. Gleichzeitig aber kam es Metternich darauf an, schnellstens Kenntnis von den Folgerungen zu erlangen, „welche Seiner Majestät Ihren an den Kaiserlichen Präsidial-Gesandten gesprochenen Worten zu geben wünschen“, also welche praktischen Schritte den Unterredungen folgen sollten i2). Metternich schloß nicht aus, daß die Gespräche in Berlin auch andere Fragen berühren könnten, die mit der Lage in Deutschland im Zusammenhang standen. Er legte Wert darauf, daß in jedem Falle Freiherr von Werner sich seiner Gesichtspunkte bedienen sollte. So fügte der Staatskanzler der Instruktion eine Anlage Betrachtungen über die Lage Deutschlands bei. Darin heißt es: „In der Anlage finden Sie Gedanken, welche ich in aphoristischer Form niedergeschrieben habe, und die ich Ihnen zur Benutzung gegenüber dem Freiherrn v. Canitz hiermit anvertraue“ i8). Diese Betrachtungen befassen sich ausschließlich mit dem Ruf nach Einheit Deutschlands und der Notwendigkeit, dieser Forderung energisch entgegenzutreten bzw. an der „Unterteilung der Nation in getrennte souveräne Staaten“ unter allen Umständen festzuhalten. Metternich ging davon aus, daß für die „Einheit Deutschlands keine historische Grundlage“ vorhanden sei und Deutschland, „so weit die Geschichte reicht, stets in Gebiete verteilt war“, mithin der Ruf nach Einheit eine andere Ursache haben müsse. Er bezeichnete die bürgerlichen Theorien des 18. Jahrhunderts, „die Einwirkung der, in dem letzten Dritteile des vorigen Jahrhunderts über 12 * 12) Ebenda fol. 16—22 (Abschrift), is) Ebenda fol. 22.