Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

OBERMANN, Karl: Unveröffentlichte Schriftstücke Metternichs vom Sommer 1845 über deutsche Angelegenheiten

Unveröffentlichte Schriftstücke Metternichs vom Sommer 1845 391 In seiner Antwort an den Freiherrn von Canitz vom 7. September 1845, am Tage vor der Abreise des Freiherrn von Werner nach Berlin ge­schrieben, legte Metternich sehr ausführlich seine Auffassungen über die Vorgänge in Deutschland dar. Metternich war überzeugt, daß die Meinun­gen im großen Ganzen übereinstimmten. Er schreibt: „Mein lieber General! Sie sehen, daß ich meiner Idee, den Freiherr v. Werner die Rückfahrt nach Wien über Berlin machen zu lassen, Folge gegeben habe. Hätte ich dies nicht bereits vor Empfang Ihres freundschaftlichen Schreibens vom 29. August beschlossen gehabt, so würde dessen Inhalt diesen Entschluß herbeigeführt haben. Der Auftrag, den Freiherr v. Werner zu erfüllen hat, ist der, Ihnen über meine Impressionen Rechnung zu stehen, dort, wo sie Aufklärung über die schriftlichen Worte hinaus, welche ich ihm mitgebe, wünschen sollten, und mir sodann alles mögliche Licht über das, was Ihr allergnädigster Herr von Bundeswegen in Aussicht zu stellen wünschen sollte, nach Wien, oder selbst nach Böhmen, wo ich eine Woche auf meinen Besitzungen verweilen werde, zu überbringen. Daß Baron Werner der zur Lösung dieser Aufgabe vollkommen geeignete Mann ist, dies bedarf zwischen uns keiner Erwähnung. Ihr Schreiben vom 29. August hat mich sehr gefreut. Es enthält Beweise des Erhebens in einer Richtung, welche ich als eine höchst nötige erkenne, und Schlagworte, welche ich gern auffasse.“ Er bestätigte Canitz, daß er sein Urteil über die Ereignisse in Leipzig „vollkommen teile“ und solche Vorfälle unbe­dingt verhindert werden müßten. Weiter heißt es: „Es gibt Dinge, die ich nicht begreife, und zu denselben gehören nicht verhinderte Ereignisse, wenn das Verhindern nicht allein im Bereiche, sondern in der deutlichen Pflicht derjenigen steht, welche hiezu berufen sind. Das was ich längst in der Ferne vorsah, hätte man wohl auch zu Dresden wissen können und beachten sollen! Ereignisse wie die zu Leipzig, treten ohne lange Vorbereitung nie ein; wie merkt eine Regierung nicht, was die öffentliche Ruhe bedroht, und wie han­delt sie nicht dagegen, wenn sie es gemerkt hat? Sachsen ist in allen Rich­tungen unterwühlt, und wenn die Regierung in eben, was sie bereits getan hat, und hoffentlich zu tun fortfahren wird, vollkommen Recht hat, warum hat sie den Gebrauch desselben so lange unterlassen? Die Bundesgesetze, welche sie am 26. August in Erinnerung gebracht hat, bestehen seit dem Jahre 1832, und nicht seit den Leipziger Ereignissen.“ Dann geht Metternich auf die politi­sche Bedeutung der kirchlichen Reformbewegung ein: „Die sich heute kirch­lich nennende Reform — es sei die Rede von welch’ immer einer Konfession, — ist ein sozialistisches Wagestück; ein Unternehmen zu demselben Zwecke, wie viele bereits mißglückte, unter einem anderen Aushängeschild als die schon gebrauchten und vielfach abgenützten.“ Metternich vertrat die Meinung, daß die preußische Regierung bei der Einschätzung der kirchlichen Reformbewegung nicht vom Pfarrerstatus des Protestanten Uhlig und vom Laienstatus des Katho­liken Ronge ausgehen dürfe, sondern ihre Maßnahmen danach einrichten müsse, daß beide die öffentliche Ruhe und Ordnung stören. Der Staatskanzler wandte sich gegen eine Unterschätzung der Gefahr und gestand, daß er „unter traurigen Impressionen über die Lage der Gesellschaft lebe; wie dies auch wirklich der der Bundes-Versammlung in Beziehung auf das Vereinsweisen und auf die Presse einzuleitenden Maasregeln, fol. 1—4. Der Brief wurde über den Vor­sitzenden der Bundes-Versammlung in Frankfurt a. M., Graf Münch-Ritting- hausen, an Metternich gesandt. Entwurf eines kurzen Begleitbriefes, vgl. fol 4v.

Next

/
Oldalképek
Tartalom