Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

328 Anton Staudinger sie auch die Verantwortung“ zu tragen201). Als dann Bundespräsident Miklas ohne Befragen und ohne Zustimmung Vaugoins versuchte, Ender als neuen Bundeskanzler zu gewinnen, kündigte Vaugoin an, er werde sich dieses Vorgehen nicht bieten lassen und „Skandal in der Öffentlich­keit“ machen 202). Wohl traten einige Sprecher noch für das Verbleiben Vaugoins als Kanzler ein, doch die Mehrheit der Klubmitglieder und jetzt auch Seipel entschieden gegen Vaugoin, da sonst kaum eine Regie­rung mit genügender Unterstützung im Nationalrat zustandegekommen wäre 203). Die Heimwehren wurden entgegen den Wünschen Vaugoins 204) an der Regierung nicht beteiligt. Die „Disziplin“, die Vaugoin nach seiner Wahl zum Parteiobmann von der Partei verlangte, mußte er jetzt selbst gegenüber der Partei halten. Lehnte also die Mehrheit in der Christlichsozialen Partei jetzt die erfolglose Taktik Vaugoins ab, die Partei durch außerparlamentarische politische Kräfte zu stärken, — in Oberösterreich war diese von Seipel inaugurierte Politik schon im Frühjahr 1930 nicht akzeptiert worden 205 206) — so mußte die Partei versuchen, ihre eigene Wirksamkeit zu erhöhen. Diese Probleme standen auf dem Parteitag der Christlichsozialen Partei in Klagenfurt am 25./26. April 1931 im Vordergrund. Noch einmal wurde von Kunschak und Spalowski die Bindung an die Heimwehr, die rein negative Wahlwerbung („Antimarxismus“) abge­lehnt 20S). Vaugoin versuchte nicht, seine Politik zu rechtfertigen, be­schönigte nur die Wahlniederlage 207) und widmete sich in seinem Referat hauptsächlich den künftigen Aufgaben der Partei, die für Vaugoin nun allein auf organisatorischer Ebene lagen 208). Die Partei müsse straffer gegliedert werden, zur Überwindung der „ständischen“ Struktur, der Länderinteressen, die eine einheitliche Linie der Partei erschwerten, müsse diese aber für eine erfolgreiche Politik gefunden werden. Die Wahlniederlage wäre zuletzt deshalb erfolgt, weil Organi­201) Notiz Schmitz’ über die Klubsitzung vom 25. November 1930, laut freundlicher Mitteilung Braun im HHStA Nachlaß Schmitz Karton 27. 202) Ebenda, Notiz Schmitz vom 28. November 1930. 203) Ebenda. 204) Protokoll über die 5. Sitzung vom 29. November 1930 des Verbandes der Abgeordneten des Nationalen Wirtschaftsblocks: AVA Großdeutsche Volks­partei Karton 7. 205) Linzer Volksblatt 15. April 1930, wo zum Rücktritt Seipels von der Bundesparteiobmannstelle bemerkt wurde, Seipel habe damit gegen die Partei entschieden; Seipel wolle mit allen Mitteln die Sozialdemokratische Partei bekämpfen, die oberösterreichische Christiichsoziale Partei aber könne keinen Bundesgenossen akzeptieren, sie könne nur durch ihre eigene Politik Erfolg in diesen Bemühungen haben. 206) Vgl. dazu den Bericht des deutschen Gesandten in Wien, Rieth, an das Auswärtige Amt in Berlin vom 29. April 1931: NA T-120 R-4494 K 231383 ff. 207) Reichspost 27. April 1931. 208) Reichspost 26. April 1931.

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