Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei 327 um Gewinnung des Nationalen Wirtschaftsblocks für eine neue Regierung erfolglos, da dieser die von Seipel vorgeschlagene Zusammenarbeit mit den Heimwehren ablehnte196), die als einzige Partei noch den Weiter­verbleib Vaugoins im Bundeskanzleramt verlangten 197). Bundespräsident Miklas nahm schließlich Verhandlungen mit Ender zwecks Regierungs­bildung auf. Am 29. November 1930 trat die Regierung Vaugoin zurück und wurde mit der Fortführung der Geschäfte bis zur Amtsübernahme durch die neue Regierung betraut198). Unter der Verhandlungsführung Enders konnte dann am 4. Dezember eine Regierung gebildet werden, die sich aus sechs Christlichsozialen, darunter Vaugoin als Heeresminister, zwei Großdeutschen Politikern, einem Landbundpolitiker und einem Parteilosen zusammensetzte. Von jenen Politikern, mit denen zusammenzuarbeiten Schober abgelehnt hatte, verblieb nur Vaugoin in der Regierung Ender. War nun Vaugoins Position in der Regierung geschwächt, so verrin­gerte sich auch der Einfluß Vaugoins auf die Christlichsoziale Partei. Die durch Vaugoin verursachten vorzeitigen Nationairatswahlen hatten die Partei zwar gezwungen, die Politik Vaugoins zu unterstützen. Da Vaugoin nicht die vor allem von den westlichen Bundesländern erwartete und von den Wiener Zeitungen angekündigte „Begeisterung ..., wie einst Lueger sie hervorgerufen“ 199 200) entfacht hatte, lehnten aber viele christ­lichsoziale Kreise nun die Politik Vaugoins einer engen Zusammenarbeit mit den Heimwehren ab. Die Landesparteileitungen von Vorarlberg und Oberösterreich machten eine Teilnahme ihrer Mandatare am christlich­sozialen Nationalratsklub von einer demokratisch-parlamentarischen Füh­rung in Wien abhängig 20°). Im Verlaufe der Verhandlungen um eine neue Regierung, der Vau­goin wieder als Bundeskanzler angehören wollte, versuchten auch Mit­glieder der christlichsozialen Parteileitung Vaugoin zur Demission zu bewegen, worauf Vaugoin „beleidigt“ reagierte und von der Partei ver­langte, daß sie ihm die durch das Wahlergebnis erlittene Niederlage erleichtern und nicht dadurch erschweren solle, daß sie ihn noch vor Vorstellung im Nationalrat zum Rücktritt zwänge, schließlich sei es ein großes Opfer seinerseits, im Nationalrat eine Mißtrauensdebatte über sich ergehen zu lassen. „Wenn aber die Partei verlangt, er soll gehen, habe 196) Protokoll über die 2. Sitzung vom 22. November 1930 und die 5. Sitzung vom 29. November 1930 des Verbandes der Abgeordneten des Nationa­len Wirtschaftsblocks: AVA Großdeutsche Volkspartei Karton 7. 197) Braun Schmitz 197. iss) Der letzte — Abschiedsreden gewidmete — Ministerrat der Regierung Vaugoin fand am 4. Dezember 1930 statt: AVA Ministerratsprotokoll Nr. 660. 199) Waitz Bemerkungen. 200) Josef H o n e d e r Prälat Johann Nepomuk Hauser 1866—1927 (phil. Diss. Wien 1964) 78.

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