Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

312 Anton Staudinger sollte, die Heimwehr, die Vaugoin gleich bei Antritt des Postens als Parteiobmann der Christlichsozialen Partei als wesentliches Instrument christlichsozialer Politik verstanden hatte, und Vaugoin war überzeugt gewesen, „daß dies der christlichsozialen Politik gelungen“ sei78 79). Wenig später aber mußte sich Vaugoin durch den am 18. Mai 1930 manifestier­ten „Korneuburger Eid“ ”), der den demokratischen Parlamentarismus und die politischen Parteien verwarf, vom Gegenteil überzeugen lassen. Er drohte christlichsozialen Mandataren, die sich durch Leistung des Eides auf die Ziele der Heimwehren verpflichtet hatten, daß er „auch als Partei­obmann auf Disziplin schauen“ und daß „er von Disziplin niemanden dispensieren werde“ 78). Im großen Klub der Christlichsozialen Partei, der vom 30. Mai bis 4. Juni tagte, wurde das Problem auf die Art gelöst, daß die Ziele der Heimwehren — soweit sie die Ausschaltung der Sozialdemokratie be­trafen — gutgeheißen wurden, aber die Entscheidung der christlich­sozialen Mandatare oder Mitglieder, die den Eid geleistet hatten, für oder gegen die Partei jeweils bei konkretem Anlaß getroffen werden solle 78). Vaugoin bedauerte, daß der Korneuburger Eid für ihn und die Christ­lichsoziale Partei „überraschend . . . eingeführt worden“ wäre, denn „wenn man nicht weiß, ob man dies oder jenes machen oder lassen soll, dann kennt man doch meine Adresse“. Nichtsdestoweniger betrachtete er es als seine „Gewissenspflicht, alles zu sammeln, im Kampfe gegen jene“ — die Sozialdemokraten — „die die Jugend unseres Volkes und unsere Heimat, Religion, Autorität und Ordnung in diesem Staate zerstören wollen“ 80). Die für den Kampf gegen die Sozialdemokratische Partei als uner­läßlich bezeichneten Heimwehren wieder unter Kontrolle der Christlich­sozialen Partei zu bringen, versuchte Vaugoin durch Verbleiben christ­lichsozialer Mandatare in den Heimwehren und Umbildung der für die Partei unbequemen Bundesführung der Heimwehren zu erreichen81). 7fi) So Vaugoin auf dem Parteitag der Wiener Christlichsozialen Partei 10./11. Mai 1930: AVA Christlichsoziale Partei Karton 110, stenographischer Bericht über den Parteitag. 77) Heimatschutz in Österreich (Wien 1934) 47 f; zu den (meist unwesent­lichen) Textvarianten siehe Franz Schweiger Geschichte der niederöster­reichischen Heimwehr von 1928—1930 mit besonderer Berücksichtigung des so­genannten Korneuburger Eides (phil. Diss. Wien 1964) 191 ff. 78) Reichspost 21. Mai 1930. 79) Text der Entschließung in Reichspost 5. Juni 1930; zu den Auseinander­setzungen innerhalb der Christlichsozialen Partei nach den Notizen von Richard Schmitz siehe Braun Schmitz 183 ff. — Vaugoin soll für den Fall einer den Korneuburger Eid völlig ablehnenden Entschließung seinen Rücktritt als Ob­mann angedroht haben, laut Bericht der Deutschen Gesandtschaft vom 5. Juni 1930 an das Auswärtige Amt in Berlin: NA T-120 R-4494 K 231148. so) Reichspost 7. Juni 1930. 81) Vgl. AVA Ministerratsprotokoll Nr. 635 vom 12. Juni 1930.

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